Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
ihn vermuten ließ, dass sie mit den Tränen kämpfte. Zum ersten Mal, in all diesen Jahren, dachte er bestürzt.
»Marczeg«, begann sie mit belegter Stimme. »Wir konnten nie gemeinsam leben. Von Beginn an gab es tausend gute Gründe, die dagegensprachen. Aber ich wollte immer an deiner Seite sein. Und ich werde jetzt an deiner Seite sein. Egal, wohin uns das führt.«
Ein weiteres Mal erzitterte die Tür, doch Tamár beachtete es gar nicht. Er sah Flores unverwandt an, die seinen
Blick erwiderte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sein Geist suchte nach Worten, aber er konnte sie nicht aussprechen. Es war, als ob er stumm geworden wäre. Als sei die Last seiner Gedanken zu schwer für seine Zunge. Flores zwinkerte ihm zu: »Außerdem, wann hätte ich je auf das gehört, was du mir sagst?«
»Nie, du viermal verfluchter, wlachkischer Dickschädel.«
»Wir gehen raus. Ich bleibe rechts von dir. Wir versuchen, in die Dunkelheit zu entkommen.«
»Ich liebe dich«, war alles, was Tamár sagen konnte. Alle anderen Worte wären hohl gewesen. Sie beugte sich vor, küsste ihn leidenschaftlich, verlangend, und er glaubte fast, dass dieser Moment niemals vorübergehen würde.
»Ich liebe dich auch. Was wir waren, wird in Ana weiterleben. Wir sehen uns auf den Dunklen Pfaden wieder.«
Die Tür erbebte, Holz splitterte, doch noch hielt sie stand. Mit einem Schwung schob Flores Tisch und Stühle beiseite und legte die Hand an den malträtierten Riegel. Einmal noch atmete Tamár tief durch, dann nickte er und schob den Helm über den Kopf. Ruckartig zog Flores den Riegel zurück und trat zur Seite. Unter dem Helm hörte Tamár nur den eigenen Atem. Sein Bein pochte noch, doch der Schmerz erschien ihm weit entfernt, als wäre es nicht sein Bein, in dem ein Pfeilschaft steckte. Die schwarze Wut und die endlose Trauer in seinem Herzen überdeckten alle Gefühle, jede Empfindung ging unter ihnen verloren.
Er würde sterben, im Kampf, ein Schicksal, das ihm niemals unwahrscheinlich erschienen war. Aber Flores wollte es teilen, und sie würde es teilen. Dies war keine unbestimmte Sorge um die Söldnerin, die weit entfernt in fremden Ländern focht. Es war eine Gewissheit, die seine Seele belastete wie keine seiner eigenen Taten jemals zuvor.
Die Tür flog auf, wurde krachend aus ihren Angeln gerissen, und zwei Gerüstete stolperten unbeholfen herein.
Was folgte, war kein Kampf, es war eine Exekution. Tamárs Streithammer brach dem einen das Genick, während Flores dem zweiten die Klinge bis zum Griff in den Leib rammte und sie geschmeidig herauszog, bevor er tot zu Boden stürzte.
Wild stürmte Tamár vor, in die Dunkelheit. Undeutliche Gestalten drangen auf sie ein, er rammte der ersten den Schild vor die Brust, schlug der nächsten den Hammer auf den Schädel, fegte das schwach erhobene Schwert einer dritten einfach zur Seite. Flores war sofort heran, duckte sich unter Angriffen hinweg, wirbelte herum, hieb links und rechts, schneller, als das Auge zu folgen vermochte. Sie fochten, als wären sie wieder jung, als kämpften sie wieder Seite an Seite in der Schlacht gegen Szilas, befreit von allen Ängsten und Sorgen, ja sogar vom Alter selbst.
Ihre Feinde bedrängten sie, fanden jedoch keine Lücke und wurden wieder und wieder Opfer der tödlichen Angriffe. Tamár spürte den Schmerz in seinem Bein nicht mehr, das Stechen in der Seite, die zahlreichen kleinen Wunden, die er erlitten hatte. Er reagierte, ohne zu denken, ohne Gefühl. Ein Schlag traf ihn in den Rücken, wirbelte ihn herum, ein Speer bohrte sich in seine Hüfte, als er auf die Knie sank. Mit dem Schild wehrte er einen Stoß ab, kämpfte sich zurück auf die Füße, tötete einen Feind mit einem Rückhandschlag des Hammers. Flores hatte eine Wunde auf der Stirn, Blut lief über ihr Antlitz, gab ihr das Aussehen eines Dunkelgeistes. Sie war ein Dunkelgeist für Tamárs Empfinden, er sah sie mit Erstaunen an, sah ihre perfekten Bewegungen, ihren Tanz mit den Klingen. Sah den Speer, der in ihre Seite drang, die letzte Parade, dann grub sich ein Schwert in ihren Hals, und sie fiel.
Ein letztes Mal sprang er auf, zwang seinen geschundenen Leib vorwärts, fiel über ihre Mörder mit dem Mut des Todes her. Jeder Gedanke war aus ihm gewichen, außer dem Wunsch zu töten. Er brach Knochen, zerschmetterte
Leiber, spürte nicht das Metall in seinem Leib, die tödlichen Wunden, aus denen sein Leben auf den Boden seiner Heimat rann.
Dann endete es. Als wären sie sich
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