Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
und sah sich im Raum um.
Gharjaş bemerkte den Blick und verstand ihn sofort. Gemeinsam holten sie einen einfachen Holzkübel und Wischtücher und begannen, die hellen Bodenfliesen zu reinigen. Jeden Tag rutschten sie nach der morgendlichen Andacht auf Knien durch den Raum und beseitigten die Spuren der Gläubigen, damit das Göttliche Licht die Kapelle stets so makellos vorfand, wie es Menschen nur erreichen konnten. In vielen Tempeln wurde diese Arbeit von Gläubigen ausgeführt; die meisten Sonnenpriester empfanden sie als zu niedrig für ihren Stand. Doch Cornel hatte sie in jedem Tempel, in dem er je gewesen war, mit Freude selbst getan. Mangelnde Demut hatte den Albus Sunaş in Wlachkis zu Fall gebracht. Davon war der Sonnenpriester überzeugt. Anstatt das Göttliche Licht im Herzen zu tragen, hatten viele Mitglieder des Ordens nach höheren Positionen gestrebt, hatten ihre Aufgaben und Pflichten vernachlässigt, nicht zur größeren Glorie des Göttlichen Lichts, sondern aus selbstsüchtiger Anmaßung.
Als könne er die Gedanken Cornels lesen, stellte Gharjaş fest: »Es ist ein wahres Wunder, dass es uns erlaubt ist, an diesem Ort das Göttliche Licht zu verbreiten.«
Neben seinem Lächeln kennzeichnete auch eine gewisse Gesprächigkeit den jungen Priester. Einerseits riss dies Cornel zu oft aus seinem bevorzugten Schweigen, andererseits füllte Gharjaş selbst oft genug die Lücken der
Konversation, so dass der ältere Mann nicht gezwungen war, zu antworten. Jetzt jedoch schwieg Gharjaş, bis Cornel leise fragte: »Ich nehme an, du meinst nicht das Land, sondern diesen speziellen Tempel?«
»Ja.«
»Ich muss gestehen, dass ich es damals nicht vermutet hätte. Es gab so viel Hass, Gharjaş. So viel. Man kann es sich gar nicht vorstellen. Wenn du denkst, dass deine Bürde heute hart ist, liegt dies nur daran, dass du die Tage und Nächte des Krieges nicht erlebt hast. Heute mag man dich Vorbs schimpfen, damals hätte man dich aus deinem Haus gejagt, wenn du vom Licht begünstigt gewesen wärest, und du wärest froh gewesen, mit dem Leben davongekommen zu sein. Viele waren nicht so glücklich. Denen hat man das Dach direkt über dem Kopf angezündet.«
Es war eine alte, schmerzhafte Geschichte, und Cornel spürte, wie er auf die gewohnten Pfade einer Predigt einbog. Es waren die einzigen Gelegenheiten, zu denen seine Zunge sich löste, und er konnte sich dabei in einen inbrünstigen Furor steigern. Jetzt zügelte er sich jedoch, da Gharjaş kaum das richtige Publikum dafür war. Zu jung war sein Mitbruder, und er hatte schon oft genug von den Schrecken gehört, die die Wlachaken in den ersten Nächten nach Marczeg Zorpads Tod über den Orden gebracht hatten. Schweigend schrubbten sie weiter.
Hier und da konnte man noch die Spuren der Vergangenheit erkennen, wie Narben auf einem Leib. Die Kapelle war ausgebessert worden, neu getüncht, aber man sah sie noch immer. Die gesplitterten Fliesen, die Unebenheiten in den Wänden. All die Stellen, an denen sich die Wut der Wlachaken entladen hatte. Die Sonnenpriester hatten die Kapelle in der Feste Remis verlassen, als die Nachricht von Zorpads Niederlage sie erreichte. Sie waren in den Osten geflohen, wo sich die Armeen der beiden übrigen Marczegs für den Sturm rüsteten, der nicht kam. Zorpad war
mit dem Einbruch des Winters besiegt worden, und der Schnee hatte dem Land einen kurzen Frieden geschenkt, der von Ionna intensiv für Verhandlungen genutzt worden war.
Noch immer konnte Cornel sich gut an die verängstigten und empörten Priester erinnern, die aus dem Westen nach Bračaz, dem Stammsitz von Laszlár Szilas, gekommen waren. Er selbst war nur ein einfacher Laie gewesen, kaum zu mehr nutze, als den Tempelboden zu putzen. Ein Wlachake, der dem Orden beigetreten war, von allen Seiten angefeindet.
Er konnte sich an die Kriegsberichte erinnern, an die großen Reden, die geschwungen worden waren, von Vergeltung, von Krieg und von der Vernichtung der Wlachaken. Schon damals hatte er geahnt, dass ein nicht geringer Teil des Niedergangs des Albus Sunaş in Wlachkis vom Orden selbst gesät worden war.
»Es ist sehr traurig, dass die Voivodin gestorben ist«, murmelte der junge Sonnenpriester. Einige Augenblicke lang fragte sich Cornel, was am Tode Ionnas traurig gewesen sein könnte, dann erkannte er, dass Gharjaş von Viçinia sprach.
»In der Tat«, gab er spröde zurück. Manchmal war er sich allerdings gar nicht so sicher, ob das stimmte. Ohne Viçinias
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