Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Willen hätte der Orden wohl nicht so bald nach Wlachkis zurückkehren können, aber das hätte auch bedeutet, dass Cornel nun nicht auf diesem Posten, sondern in Ardoly wäre, wo der Albus Sunaş willkommen und geehrt war. Er seufzte leise. Aber es galt, das Göttliche Licht auch dorthin zu tragen, wo es nicht erwünscht war. Besonders dorthin. Gerade in der Dunkelheit wird das Licht benötigt. Wenn nur Wlachaken nicht solche Dickschädel wären!
Mühsam erhob er sich. Seine Gelenke schmerzten, vor allem die Knie, auf denen er auf dem harten Boden herumgerutscht
war. Auf eine schwer verständliche Art war dies ein guter Schmerz, ein verdienter Schmerz, der Cornel mit Stolz erfüllte. Während sich Gharjaş um die Kapelle kümmerte, trat er selbst hinaus in den diesigen Morgen. Die Begrüßung der Sonne war das morgendliche Ritual, und jeder Gläubige versuchte, dies im Tempel zu tun. Viele zogen die Kapelle in der Feste dem wieder aufgebauten Tempel in der Stadt vor. Cornel vermutete, dass sie hofften, so weniger als Gläubige aufzufallen.
Der Tempel in der Stadt bot ohnehin einen tristen Anblick. Zwar hatte man nach dem Brand ein neues Gebäude an der Stelle des alten errichtet, doch es war schmucklos und klein, kaum würdig, der größte Tempel des Albus Sunaş in ganz Wlachkis zu sein. Aber was rede ich mir ein? Selbst dieser kleine Raum reicht, um alle Gläubigen der Stadt aufzunehmen. Und wahrscheinlich ihre Pferde noch mit dazu!
Dieser Gedanke entlockte ihm zumindest ein sarkastisches Grinsen, das er aber sofort wieder verbarg. Es stand dem Priester der Burgkapelle nicht zu, sich solcherlei Überlegungen am Gesicht ablesen zu lassen. Stattdessen setzte er eine ruhige Miene auf, hob das Kinn und ging gemessenen Schrittes über den Hof.
Viele Wlachaken hatten geflucht, als die Kapelle, aus der Ionna einen Stall gemacht hatte, wieder in die Hände des Albus Sunaş gegeben worden war. Jeder im Orden wusste, wem dies zu verdanken gewesen war: Sanyás, einem einfachen Priester, der das Ohr der Voivodin Viçinia durch weise Worte und sein ehrbares Verhalten gewonnen hatte. Durch ihn war es dem Orden erlaubt worden, wieder Tempel in Wlachkis zu unterhalten, bis die Voivodin schließlich sogar die alte, geschändete Kapelle in der Feste Remis wieder dem Göttlichen Licht weihen ließ. Als Nemes Viçinia während der großen Fieberepidemie erkrankte und starb, war er sich sicher gewesen, dass ihr Tod auch
das Ende seines Ordens in Teremi bedeutete. Doch Şten cal Dabrân war nach dem Tod seiner Frau in eine seltsame Teilnahmslosigkeit verfallen, die ihm selbst den Antrieb geraubt haben mochte, die ungeliebten Sonnenpriester aus dem Land zu vertreiben. Nur seine Söhne, die beim Tod ihrer Mutter noch Kinder gewesen waren, hatten dafür gesorgt, dass der Voivode schließlich wieder zu sich selbst fand.
Seither hatte Şten das Andenken an seine Frau bewahrt und ihren Willen geachtet. In diesem Jahr lag Viçinias Tod eine Dekade zurück, und der Albus Sunaş hatte allen Grund, ihr Andenken ebenfalls zu ehren.
»Vorbs«, ertönte von irgendwo auf der Mauer der Ruf. Seit seiner Ankunft in Teremi vor sieben Jahren hatte es keinen Tag gegeben, an dem er die als Beleidigung gemeinte Bezeichnung nicht gehört hätte. Zwar hatte der Voivode im Gedenken an seine Frau die Benutzung des Wortes untersagt, aber dieses Delikt wurde nur halbherzig verfolgt, wenn überhaupt. Nach einigen Enttäuschungen hatte Cornel sich entschieden, es zu ignorieren und seine Feinde durch seine Unangreifbarkeit zum Verstummen zu bringen. Bislang ging die Strategie allerdings noch nicht auf, wie er wieder einmal feststellen musste.
Ohne dem Rufer sichtliche Beachtung zu schenken, lief Cornel weiter, im Geist ein Lob des Göttlichen Lichts intonierend. Es gab keine Beleidigung, keine Schmach und keine Schande, die er nicht für seinen Glauben ertragen konnte. Er war angespuckt worden, geschlagen, verfemt; er hatte um sein Leben gefürchtet. Aber noch immer konnte er erhobenen Hauptes seinen Weg gehen.
Das Tor der Feste stand weit offen. Die Zeiten, in denen die Wlachaken jederzeit Krieg fürchten mussten, waren lange vorbei. Und da das Fest noch längst nicht beendet war, herrschte ein reges Treiben, ein Kommen und Gehen. Zu Mittag würde es ein weiteres Bankett geben. Diesmal
jedoch nur für Şten und seinen Rat. Dass der Voivode jedes Jahr das Fest gemeinsam mit dem Rat feierte, zeigte, wie wichtig er seine Berater nahm.
Gerade als Cornel durch
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