Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Gürtel umschlang. Während er in das Hemd schlüpfte, erklärte Ionnis: »Sie haben einen Boten zu Vater gesandt. Der arme Bauer, den sie geschickt haben, hat beinahe einen Schlag bekommen, als sie vor seiner Tür standen. Immerhin haben sie ihn nicht gefressen.«
»Weißt du, was sie wollen?«
»Nein, aber ich habe auch nicht alles gehört, was gesagt wurde. Vater hat mich sofort geschickt, um dich zu holen.«
Das zu hören freute Natiole, der sich bückte und flache
Schuhe auswählte, die er schnell anziehen und zubinden konnte. Aus dem Krug auf dem Waschtisch goss er Wasser in die Schüssel und wusch sich mit einem Schwung des eiskalten Nasses den Schlaf aus Kopf und Gliedern. Dann zog er einen Überwurf mit dem Raben seines Hauses über das Hemd, strich sich die Haare mit feuchten Fingern glatt und sah Ionnis an. »Gut so?«
»Wie man es nimmt. Für deine Verhältnisse ja«, erwiderte sein jüngerer Bruder grinsend und sprang zur Seite, als Natiole ihm mit den Fingern Wasser entgegenspritzte. Beide lachten, dann wandte Ionnis sich ab und lief voraus. Auf dem Weg durch die dunklen Gänge der Burg fragte sich Natiole wieder einmal, warum es nicht immer so sein konnte. Doch er fand keine Antwort, bis sie den Vorsaal betraten, in dem ihr Vater mit einigen Soldaten und Würdenträgern stand. Einige der Feuerschalen waren wieder entzündet worden, und Natiole sah bleiche, unausgeschlafene Gesichter. Einzig sein Vater wirkte beinahe so frisch wie Ionnis. Vielleicht hatte auch er noch nicht geschlafen, als die Nachricht eintraf. Vintila stand neben Şten, während sich Cornel etwas abseits hielt. Im Saal herrschte eine seltsame Atmosphäre, zwischen Aufregung und Müdigkeit, die widerspiegelte, wie Natiole sich fühlte. Während Vintila ihm freundlich zunickte, beachtete Cornel ihn gar nicht.
»Ah«, rief Şten erfreut, als er seine Söhne entdeckte. »Dann sind wir vollzählig.«
»Wofür eigentlich?«, fragte Natiole ein wenig lahm. »Wir haben Gäste. Trolle. Mein alter Freund Kerr ist in unser Land gekommen, und ich will ihn begrüßen. Wir werden gleich aufbrechen, und du sollst uns begleiten.«
»Gibt es einen Grund für das Erscheinen dieser – Riesen?« Nur mit Mühe gelang es ihm, ein Wort zu verschlucken, das seinem Vater mit großer Sicherheit mehr missfallen hätte.
»Bislang weiß ich nur, dass Kerr mit mir reden will. Wenn wir vor Sonnenaufgang bei ihnen sein wollen, müssen wir bald aufbrechen. In der Dunkelheit werden wir nur langsam vorankommen.«
Stumm nickte Natiole. Die Aussicht auf einen nächtlichen Ritt und ein Treffen mit Trollen reizte ihn nicht besonders, aber er würde keinesfalls zurückbleiben, wenn Ionnis mit seinem Vater ritt.
Şten gab einen kurzen Befehl, und alle strömten in den Burghof hinaus. Sein Vater gesellte sich zu Natiole und zwinkerte ihm zu. »Ich habe unsere Pferde schon satteln lassen. Es ist gut, wenn du mitkommst. Kerr hat wohl noch andere Trolle dabei, und dann können sie dich endlich einmal beschnuppern. Immerhin wirst du eines Tages meinen Platz einnehmen, und die anderen Trolle sollten dich kennenlernen – schließlich wird auch Kerr nicht ewig leben.«
»Ich hoffe, dass beschnuppern nur eine Redewendung war«, erwiderte Natiole leicht verunsichert, was seinen Vater zum Lachen brachte, aber nicht zu einer Antwort verleitete.
Tatsächlich warteten im Hof bereits einige schläfrige Bedienstete, die sechs Pferde für einen Ritt vorbereitet hatten. Elegant schwang sich Natiole in den Sattel. Die anderen taten es ihm gleich, und Şten ritt langsam in Richtung Tor. Als Natiole seinem Vater folgen wollte, sah er Vintila, der mühsam wieder die Stufen zum Eingang emporstieg. Ein schneller Blick zeigte, dass statt seiner Cornel an Ştens Seite ritt.
»Geistseher, kommt Ihr nicht mit uns?«, rief Natiole und zügelte sein Pferd.
»Nein, nein. Der Weg ist zu beschwerlich. Ich werde hier auf Euch warten.«
Vorsichtig lenkte der junge Wlachake sein Pferd mit einem sanften Schenkeldruck näher an die Treppe heran und neigte sich zu Vintila hinüber.
»Aber Cornel reitet mit. Denkt Ihr, dass es richtig ist, dass ein Vorbs den Voivoden begleitet, während Ihr hierbleibt?«
»Ich bräuchte eine Kutsche, und es dauert zu lange, bis wir damit aufbrechen könnten. Der Pfad zum Hof ist wohl auch unwegsam. Und Euer Vater hat zweifelsohne recht, wenn er zum Aufbruch drängt.«
Fassungslos blickte Natiole den Geistseher an. Pferde vor eine Kutsche spannen zu lassen
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