Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
kann Kerr vielleicht sein Anliegen noch einmal vortragen.«
    Auf den Wink des Voivoden hin trat der Troll vor. Um seine Hüften war nachlässig ein Stück Leder geschlungen, das mit zwei über der Brust gekreuzten Lederriemen befestigt war. Verschiedene Beutel hingen an den Riemen. Selbst diese einfachen Gegenstände waren grob und von minderer Qualität, wie Cornel feststellte, offensichtlich von schweren Trollpranken gefertigt.
    Der Troll kratzte sich am Hals. In der Halle wirkte er noch grotesker als auf freier Flur. Seine knorrige, muskulöse Gestalt war in dem geschmückten Saal, der noch die Pracht des vergangenen Festes zeigte, fehl am Platz. Seine Art gehört nicht unter den Himmel und das Göttliche Licht. Sie sind Kreaturen der Tiefe, der Dunkelheit. Sie sollten sich von uns
    fernhalten. Immerhin war Cornel offensichtlich nicht der Einzige, der so dachte. In mehr als einem Gesicht konnte er Abscheu erkennen, hier und dort auch unterdrückte Angst. Die Nähe des Wesens beeinflusste alle, wenn auch nicht alle auf die gleiche Weise. Und erst sein Geruch. Dumpf und modrig, irgendwie erdig, aber mit einem scharfen Unterton. Ebenso, wie ihre Leiber den Saal dominierten, drang ihr Geruch überallhin vor, überlagerte alle anderen Gerüche und zwang die Aufmerksamkeit auf sie.
    »Ich bin hier wegen dem Herzen des Landes«, erklärte der Troll. »Wegen dem Dunkelgeist. Vangeliu hat uns Trollen erzählt, dass er früher ein guter Geist war. Ein weißer …?«

    »Bär«, warf Şten sein. Natürlich kannte Cornel die Mythen und Legenden der Wlachaken. Doch anders als sie wusste er, dass diese Geister nicht freundlich waren, egal wie sie hießen. Sie waren dunkle Wesen, die das Licht scheuten und die Menschen in die Irre führten. Jahrhundertelang hatte der Albus Sunaş versucht, den gefährlichen Irrglauben aus der Welt zu schaffen, hatte in den Tempeln gegen ihn gepredigt und versucht, dem Volk das Göttliche Licht näher zu bringen.
    »Weißer Bär«, murmelte die Kreatur. »Vangeliu sagte, dass der ›Bär‹ verletzt wurde?«
    »Ja, ich erinnere mich an die Geschichte. Das war vor vielen Jahrhunderten, als das Goldene Imperium das Land zwischen den Bergen für sich beansprucht hatte und Wlachkis nur eine Provinz des Reiches war. Ein Prinz aus dem Dyrischen Imperium hat den Weißen Bären gejagt und verletzt. Er trieb ihn unter die Erde in die Dunkelheit, wo der Geist des Weißen Bären zerbrach. So wurde er zum Dunkelgeist. Und der Prinz starb an den Wunden, die der Dunkelgeist ihm zufügte«, erzählte der Voivode langsam, als müsse er sich die Einzelheiten erst wieder ins Gedächtnis rufen. Alle schauten ihn an, während er sprach, und Cornel überkam ein seltsames Gefühl der Verlassenheit.
    »Die Dyrier machten die Wlachaken für den Tod des Prinzen verantwortlich«, erhob unvermittelt Vintila das Wort. »Sie töteten viele von ihnen aus Rache. Jeder vierte Wlachaken sollte sterben. Doch das Massaker einte die Stämme unseres Volkes, und sie sammelten sich unter Kralja Anéas Banner. Bei den Drei Schwestern kam es zur Schlacht, und Anéa war siegreich. Die dyrischen Armeen wurden aus Wlachkis vertrieben, und unser Land war wieder frei. Wir verloren den Beschützer unseres Volkes, aber wir gewannen unsere Freiheit.« Der alte Geistseher räusperte sich geräuschvoll. »Zumindest für eine Weile«.
    Jeder im Raum spürte das Gewicht der Worte. Nach den
Dyriern waren die Masriden gekommen, mit ihren schnellen und starken Pferden und ihren gerüsteten Kriegern und ihren Sonnenpriestern, und sie hatten Wlachkis erobert und unter sich aufgeteilt. Der eine oder andere sah zu Cornel herüber, denn vielen galt er noch immer als Vertreter der einstigen Unterdrücker. Dabei galt seine Liebe allein dem Göttlichen Licht und nicht den Masriden.
    »Wie hat der Dyrier den Weißen Bären verletzt? Kann man die Wunde heilen?«
    Die Fragen des Trolls klangen beinahe sehnsüchtig. Etwas bewegte dieses Wesen, sie zu stellen, doch Cornel konnte nicht einmal raten, was es war. Zu fremdartig war die Miene, die Haltung, die gesamte Kreatur.
    »Ich weiß nicht«, antwortete der Voivode und wandte sich an den alten Geistseher. »Vintila?«
    »Das ist eine seltsame Frage, Freund Troll.«
    Die Anrede ließ Cornel innerlich sarkastisch grinsen. Als ob der alte Mann dem Ungeheuer gegenüber freundlichere Gefühle hegen würde als er selbst.
    »Wir haben viele Jahrzehnte lang, ja sogar Jahrhunderte den Dunkelgeist besänftigt. Wir haben

Weitere Kostenlose Bücher