Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
die alten Lieder zur richtigen Zeit gesungen, ihm seine Schmerzen genommen und ihn ruhiger schlafen lassen. Aber wir haben nie versucht, ihn zu heilen. Jedoch …«
Der alte Mann rieb sich das Kinn, als wäre ihm gerade eine Eingebung gekommen. Was führst du im Schilde, du alter Fuchs?, fragte sich Cornel im Geiste. Was heckst du nun wieder aus?
»Vielleicht ist es möglich«, fuhr Vintila fort, was den Troll dazu brachte, die Zähne zu einem furchtbaren Grinsen zu blecken. Seine Begleiter bewegten sich weiter vor, selbst der Tiefentroll trat näher an das ihm verhasste Licht heran. Cornel ließ das Monstrum nicht aus den Augen. Beim geringsten Anzeichen eines Angriffs würde er das Göttliche Licht zu sich rufen, von den weit entfernten Plätzen
unter der Welt, wo es die Dunkelheit gerade bekämpfte. Sein Orden hatte schnell herausgefunden, dass ihr Licht die Trolle unbeweglich werden ließ, schlafend wie tot und nicht aufzuwecken. Zwar hatte ihnen dieses Wissen im Kampf um Wlachkis nur wenig geholfen, doch der Sonnenpriester fühlte sich sicher in dem Bewusstsein, dass er diese drei Monstren dank der Gnade des Göttlichen Lichts niederstrecken konnte.
»Erklär es mir, Mensch«, forderte Kerr nicht unfreundlich.
»Die Legende besagt, dass der Prinz den Weißen Bären mit einer Lanze verwundete. Das Blut des Geistes benetzte diese Waffe. Vielleicht ist es möglich, mit ihr die Wunde zu schließen, die sie gerissen hat.«
»Mit einer Lanze?« Der Troll kratzte sich am Kopf.
Vintila erhob sich mühsam und zuckte mit den Achseln. »Wir haben es niemals versucht. Vielleicht täusche ich mich auch. Was weiß ich schon? Ich bin nur ein alter Mann.«
Beinahe hätte Cornel belustigt aufgeschnaubt. Es verwunderte ihn, dass niemand die Scharade des Alten durchschauen konnte. Die Ratsmitglieder blickten ihn an, als wären sie eine Herde Schafe und er ihr treu sorgender Schäfer. Selbst die blutrünstigen Trolle hingen an den Lippen des alten Geistsehers.
»Warum wollen die Trolle das alles wissen?«, fragte Cornel in die Stille hinein. »Lange hat der Dunkelgeist geschlafen, und es war gut so. Warum suchen sie jetzt nach dieser Waffe?«
Ein Grollen ertönte aus den Schatten am Ende der Halle, und fast wünschte der Sonnenpriester sich, dass der Tiefentroll ihn angegriffen hätte. Doch das Wesen knurrte nur und fletschte seine mächtigen Hauer.
»Der Dunkelgeist hat nicht ganz so ruhig geschlafen, wenn ich mich recht erinnere«, gab Vintila zurück. »War es
nicht vielmehr so, dass dein Orden im Kloster Starig Jazek seltsame Riten durchführte, die ihn geweckt haben?«
Die Ratsleute redeten plötzlich durcheinander, und viele finstere Blicke waren auf Cornel gerichtet, der sich jedoch nicht beirren ließ. Die Trolle rückten näher an den Tisch heran, bauten sich bedrohlich auf, aber der Sonnenpriester würdigte sie keines Blickes.
»Diese Priester haben auch meinen Orden verraten. Sie wurden zu Ausgestoßenen erklärt«, erwiderte er ruhig, doch mit lauter Stimme, die durch das Gemurmel schnitt wie eine Klinge durch Wasser.
»Weil es die Forderung meiner Mutter war, die Bedingung, um euch wieder im Westen Fuß fassen zu lassen.« Natiole hatte sich erhoben und funkelte Cornel an. Der junge Prinz wies mit einem anklagenden Finger auf ihn, als wäre er ein gemeiner Verbrecher. »Länger als ein Jahr habt ihr nichts gegen diese angeblichen Ausgestoßenen getan!«
»Weil mein Orden nichts von dem wusste, was sie vorhatten. Abgesehen von einigen Gerüchten gab es keine Berichte über ihr Tun, Nemes Natiole. Die Situation damals war komplex, wie Euer Vater Euch gewiss bestätigen kann. Es gab Verfolgungen, Priester wurden getötet. Die Berichte aus dem neu erstarkten Wlachkis waren voller Widersprüche.«
»Widersprüche!«, höhnte Natiole. »Euer Orden hat den Kriegstreibern doch das Wort geredet. Ihr wolltet doch gar nichts glauben, was euch einfache Wlachaken sagten!«
Es kostete Cornel einige Überwindung, ruhig zu bleiben. Würdevoll verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und hob das Kinn.
»Das ist gut möglich. Wie ich schon darlegte, war die Situation damals nicht einfach. Für keinen von uns. Aber selbst Eure Tante, die Voivodin Ionna, hat meinem Orden niemals die Geschehnisse im Kloster Starig Jazek zum Vorwurf gemacht.«
»Weil sie Frieden wollte; sicher nicht, weil sie euch vertraute und euren Ausflüchten Glauben schenkte«, entgegnete Natiole kalt.
Prinz Ionnis, der sich ebenfalls erhoben
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