Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
beschlossen hatte, keine Bediensteten mitzunehmen. Damals hatte sie gedacht, ihrem Vater mit dieser Entscheidung ein schlechtes Gewissen zu bescheren und ihm deutlich zu zeigen, dass sie die Reise in das entlegene Wlachkis als Exil empfand. So langsam dämmerte ihr jedoch, dass sie damit lediglich sich selbst bestraft hatte. Vermutlich hat
Papa deshalb so spöttisch gelächelt und mir mit ach so salbungsvollen Worten versichert, dass alle Begleitumstände rein meine Entscheidung seien. Ha!
Unvermittelt schluchzte das junge Mädchen hinter ihr auf. Überrascht drehte sich Artaynis zu ihr um, aber Voica tat einen Schritt rückwärts und schlug die Hände vors Gesicht.
»Voica? Was ist denn?«, fragte die junge Dyrierin sanft.
»Ich … der Voivode … ich«, stammelte die Zofe, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Beinahe flehentlich streckte sie Artaynis die Hände entgegen, als drohe sie zu ertrinken, und nur die Dyrierin könne sie retten.
Artaynis blickte verstohlen zur Tür. Bei Agdeles Atem! Ich hoffe, dieser Bote verfügt über ausreichend Geduld.
»Ganz ruhig. Erzähl mir, was los ist. Es ist doch alles gut.«
»Das Fest … er war so lieb. Und er sagte, er würde für mich auf die höchsten Berge steigen …«, brachte Voica zwischen Schluchzen und Schniefen hervor, aber Artaynis unterbrach sie, nun doch neugierig geworden: »Was? Der Voivode?«
»Nein!« Die junge Zofe sah entsetzt aus und schüttelte so heftig den Kopf, dass Artaynis befürchtete, sie würde sich den Hals verrenken. »Mihales. Er ist Soldat hier in der Festung.«
»Der Junge mit den Locken? Der immer im Hof herumlungert?«, erkundigte sich die junge Dyrierin.
»Er wartet immer auf mich«, erwiderte Voica stolz, nur um dann wieder in Tränen auszubrechen. Ihre Schultern zuckten, als sie nach Luft schnappte.
Vorsichtig trat Artaynis zu dem jungen Mädchen und nahm sie in den Arm, war dabei jedoch darauf bedacht, dass ihre Tränen keine Flecken auf dem Kypassis hinterließen. »Der hübsche Junge mit den dunklen Locken hat dir schöne Augen gemacht, und auf dem Fest …?«
»Es war so schön. Alle haben gelacht und getanzt. Und ich habe Wein getrunken und auch getanzt. Und er hat mich auf die Mauer mitgenommen und mir die ganze Stadt gezeigt, und dann …«
Lächelnd streichelte Artaynis ihr den Rücken. Die Mädchenzeit liegt wohl hinter ihr.
»War es schlimm? Oder war es schön?«
»Es war schön«, flüsterte die Wlachakin.
»Wartet er seitdem nicht mehr im Hof auf dich?«
»Doch. Das wohl.«
»Warum weinst du dann?«
»Der Voivode. Er hat Euch rufen lassen, weil er davon weiß. Er wird mich fortschicken.«
In ihrem Geist versuchte Artaynis das Bild des lächelnden Şten mit diesen Ängsten einer jungen Frau zu vereinen, scheiterte jedoch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Voivode übergroße Sorgen um die Liebeleien seiner Untergebenen macht. Aber wer konnte das in diesem barbarischen Land schon so genau wissen? Vielleicht gab es Vorschriften, von denen sie nichts wusste? Vielleicht durften die Krieger des Voivoden mit niemandem das Lager teilen? Oder nur mit ausgewählten Frauen? Oder sie mussten erst das Einverständnis ihrer zahllosen Geister einholen?
Immer noch schluchzte Voica, doch sehr viel leiser und ruhiger als zuvor. Artaynis trat einen Schritt zurück, packte sie an den Schultern und fixierte sie. Die Augen des Mädchens waren vom Weinen gerötet, ihre Wangen nass, und sie bot insgesamt ein Bild des Elends.
»Der Voivode hat mich aus anderen Gründen rufen lassen«, erklärte Artaynis bestimmt. »Nicht deinetwegen. Du wirst dich jetzt wieder hinlegen und aufhören, dir Sorgen darüber zu machen. Du wirst nicht fortgeschickt, und deinem Mihales geschieht auch nichts. Wir kümmern uns morgen gleich darum, und heute Nacht musst du keine Angst mehr haben. Verstanden?«
Dankbar nickte Voica und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. Artaynis strich ihr mit der Hand eine Strähne aus dem Gesicht.
»Du bist so schön, du solltest keine Tränen vergießen. Ich komme bald wieder zurück.«
Damit ließ sie die Zofe stehen und öffnete die Tür.
Der Bote verzog keine Miene, als er sie erblickte und sie steif aufforderte: »Folgt mir bitte.«
»Sehr gern«, erwiderte sie und setzte ein reizendes, unschuldiges Lächeln auf.
Sein Gesicht blieb so sorgfältig unbeteiligt, dass Artaynis Verdacht schöpfte. »Wenn du irgendein Wort von dem, was du vielleicht gerade gehört hast,
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