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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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nicht auf Anhieb jeden Namen merken konnte«, erklärte sie mit einem koketten Lächeln, das vielfach erwidert wurde.
    »Ich bin mir sicher, dass Euch das niemand vorwerfen wird«, warf Ionnis ein. »Der Rat ist in den letzten Jahren sehr gewachsen.«
    Für einen Moment genoss sie ihre Fähigkeit, alle Anwesenden für sich einzunehmen. Dann aber sah sie Natioles düsteren Blick, und sie revidierte ihre Einschätzung. Fast alle Anwesenden.

    »Aber ich möchte Euch auch die Trolle vorstellen, Artaynis. Dies hier ist Kerr, ein alter Freund. Seine beiden Begleiter heißen Wrag und Zran.«
    Neugierig trat Artaynis näher an den Troll heran. Trotz seines einschüchternden Aussehens schien er nicht aggressiv zu sein. Er war beinahe doppelt so groß wie Artaynis, und sie musste sich zurückhalten, um nicht mit der Hand über seine raue Haut zu fahren und zu ertasten, wie sie sich anfühlte. Selbst ihr Geruch war nahezu greifbar, eindringlich und erdig.
    »Es freut mich, Euch zu treffen«, erklärte die junge Dyrierin wahrheitsgemäß. »Ich habe schon viel von Trollen gehört.«
    Irgendwo im Zwielicht hinter Kerr ertönte ein Schnauben, aber der riesige Troll ließ sich davon nicht beirren. Vorsichtig neigte er sich zu ihr herab, und sie hörte, wie er die Luft in seine breite Nase sog.
    »Du riechst wie der Halbzwerg«, lautete sein überraschendes Urteil, das Şten zu einem heftigen Lachanfall reizte. Verwirrt sah Artaynis den Voivoden an, der tatsächlich gluckste wie ein halbwüchsiger Knabe.
    »Ich verstehe nicht …«, sagte Artaynis.
    »Euer Vater. Einige der Trolle haben ihn damals so genannt.«
    »Du riechst wie er«, stellte Kerr bestimmt fest. »Wie der Halbzwerg. Aber du bist größer.«
    Unsicher, ob sie das Ziel eines perfiden Scherzes war, kniff Artaynis die Augen zusammen. »Halbzwerg? Mein Vater?«
    Sie spürte, wie Gelächter in ihrer Kehle aufstieg, und als Şten nickte, hätte sie beinahe ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Stattdessen hielt sie kurz die Luft an. Aller Ärger über den Troll und seine seltsame Nase war vergessen. Der Halbzwerg! Köstlich! Ich kann es gar nicht erwarten, nach Hause zurückzukehren. Wo Papa doch immer
geleugnet hat, dass ich ihn mittlerweile um eine Handspanne überrage.
    Während sie sich noch fragte, ob es besser sei, ihren Vater gleich zur Begrüßung mit dem trollischen Beinamen anzureden oder ihn in einer stillen Stunde ganz sanft mit ihrem neuen Wissen zu erpressen, sagte Şten: »Ich hoffe, dass dies keine familiären Probleme auslöst.«
    »Nein«, log Artaynis und lächelte süß. »Keineswegs. Mein Vater hatte dieses Detail in seinen Reiseerinnerungen lediglich zu erwähnen vergessen.«
    »Mir scheint, dass er gern das ein oder andere Detail unter den Tisch fallen lässt. Er ist sehr … bescheiden.«
    Schlagartig wurden Artaynis die Blicke der anderen bewusst, die alle auf ihr und dem Voivoden ruhten, und sie bemühte sich um Fassung. Ihre kleine Rache an ihrem Vater für diese Reise war eine Sache, sie in der Öffentlichkeit zu präsentieren eine ganz andere. Schuldbewusst blickte sie zu Boden. »Mein Vater kann tatsächlich äußerst bescheiden sein. Sein erster Gedanke gilt stets dem Wohle anderer.«
    Es schien, als wolle der Voivode noch etwas sagen, aber Kerr kam ihm zuvor: »Der Speer?«
    »Ja, richtig, der Speer«, pflichtete ihm Şten bei, bevor er sich wieder an die junge Dyrierin wandte. »Es gibt bei uns eine Legende.«
    Aufmerksam lauschte sie der Erzählung des Voivoden. Es war eine traurige Geschichte, die aus Sicht der Wlachaken kein gutes Licht auf die Taten der Dyrier warf.
    Die Wlachaken waren stolz, und die Erinnerungen an die Jahre der Besetzung durch das Imperium schmerzte sie. Artaynis hatte schon oft bemerkt, dass in den Herzen der Wlachaken eine schwer greifbare Mischung aus Stolz und Trauer herrschte, eine tiefe Melancholie, von flammendem Selbstbewusstsein durchzogen.
    Als Şten den Bericht abschloss, sah er sie hoffnungsvoll
an. Auch die anderen Anwesenden inklusive der Trolle legten offenbar alle Hoffnung in die Antwort der jungen Dyrierin.
    Zunächst räusperte sie sich und war selbst überrascht, wie schwer ihr in diesem Moment das Sprechen fiel.
    »Die Zeit, in der Wlachkis eine Provinz des Dyrischen Imperiums war, wird in meiner Heimat gern das Goldene Zeitalter genannt. Nicht allein deswegen«, beeilte sie sich zu versichern, »sondern weil das Reich damals eine gewaltige Ausdehnung erreichte und viele der besten Künstler und

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