Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
fand.
»Es erscheint mir unklug, uns auf dieses Wagnis einzulassen«, schloss er gerade seine Rede. »Sind nicht alle unsere Verpflichtungen längst abgegolten?«
Das monströse Wesen, das sein Vater Tiefentroll genannt hatte und das sich immer im Schatten hielt, schnaubte laut. Die Bediensteten hatten nur wenige Kerzen entzündet, und dennoch kam die Kreatur nicht näher an den runden Tisch heran, an dem die Wlachaken Platz genommen hatten. Jetzt trat er doch einen Schritt vor, aber die Schatten wollten scheinbar nicht von ihm ablassen, sondern umschlangen ihn wie ein Mantel. Bedrohlich ragte er über allem auf, seine Hörner reichten fast bis zur Decke.
Aus dem Augenwinkel sah Natiole, wie Rajavs Hand zu seinem Schwert zuckte. Der Veteran hatte in allen Schlachten der Wlachaken gefochten, zweimal an der Seite von Trollen, und dennoch spürte Natiole die Angst des gestandenen Kriegers. Sein Haar war ergraut, und er schor es entgegen den wlachkischen Sitten kurz, und sein Antlitz war von Falten durchzogen. Aber seine Augen waren immer noch klar und wachsam, auch wenn sie jetzt geweitet waren, als erwarte er jeden Moment einen Angriff. Er ist geblieben, um Vater zu beschützen, erkannte der junge Wlachake. Er misstraut dieser Kreatur. Auch Natiole war angespannt. Der Blick des Monstrums allein genügte, um ihm Schauer über den Rücken zu jagen. In diesen schwarzen Augen lag eine solche Missachtung alles Menschlichen, dass sie beinahe körperlich spürbar war.
»Du Menschling redest Scheiße«, knurrte der Tiefentroll. Natioles Geist weigerte sich, ihm einen Namen zuzugestehen. Es war keine Person, es war ein Monster, eine Naturgewalt auf zwei Beinen, etwas Unterirdisches, das einem Namen trotzte.
»Wrag«, sprang Kerr ein. »Lass ihn reden.«
»Warum?«
»Weil …«, begann Kerr, hob dann jedoch hilflos die Arme und verzog das Gesicht. »Weil Menschen das nun einmal so machen.«
»Wir sind keine Menschen. Wir sind Trolle!«
Die Worte hallten in dem kleinen Saal wider. In ihnen schwang ein unbändiger Stolz mit, der alles andere Leben herabwürdigte. Er sagt: »Wir sind Trolle«, aber er meint: »Ihr anderen seid nur Dreck«.
»Das weiß ich. Dennoch müssen wir reden. Şten hat uns einen Unterschlupf zur Verfügung gestellt. Dort gibt es Fleisch und Dunkelheit. Willst du dort warten?«
»Was? Allein?« Die Miene des Wesens zeigte, dass es mit dem Vorschlag nicht glücklich war. Innerlich bereitete sich Natiole auf einen weiteren Ausbruch vor, doch der Tiefentroll brummte nur.
»Zran, willst du auch gehen?«, wandte Kerr sich an den dritten Troll, der bislang schweigend abseitsgestanden hatte. Mit einem Schulterzucken nickte der Angesprochene.
»Rajav, bring unsere Gäste bitte in ihr … Quartier«, bat Şten und schenkte dem Krieger ein kurzes Lächeln. Mit ergebenem Gesichtsausdruck nickend, folgte der grauhaarige Krieger dem Befehl und führte die beiden Trolle aus dem Saal. Ein Teil der Vorratskeller war leer geräumt worden, um den Wesen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Natiole beneidete das Gesinde nicht, das sich um die Bedürfnisse der Trolle kümmern musste; der Gestank der gewaltigen Kreaturen erfüllte schon jetzt die halbe Feste. In den Kellern würde es schier unerträglich werden.
Wenigstens verschwand mit dem Tiefentroll ein Teil der unterschwelligen Bedrohung, die das Treffen bislang vergiftet hatte. Es war deutlich, dass auch Kerr keinerlei Sympathien für Cornel hegte, doch der Troll wirkte auf Natiole weitaus gefasster und zivilisierter als seine Gefährten. Und sie gehorchen ihm. Erstaunlich.
»Er hat unrecht«, erklärte Kerr kategorisch, als die beiden Trolle verschwunden waren. Erst als er auf den Sonnenpriester deutete, verstand Natiole, dass der Troll nicht seinen Gefährten, sondern den Menschen meinte.
»Ihr schuldet uns nichts, und wir schulden euch nichts«, fuhr der Troll ruhig fort. »Das ist richtig. Aber es ist kein Wagnis, und wir bitten euch um Hilfe. Auch wenn Wrag das niemals zugeben würde.«
Die letzten Worte wurden von einem Zähnefletschen begleitet. Aber Şten schien es als freundliche Grimasse zu deuten, denn er lächelte und sagte: »Er erinnert mich an Pard.«
»Ha!« Der Troll schnaubte belustigt. »Das würde keiner von beiden gerne hören!«
»Es ist ein Wagnis«, mischte sich Cornel wieder ein. Bevor jemand etwas sagen konnte, stand der Sonnenpriester auf und strich sein reinweißes Gewand glatt. Selbst im schwachen Licht der
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