Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Gelehrten aus allen Teilen der Welt nach Dyria strömten, um in Colchas zum Ruhme des Imperiums beizutragen. Ich weiß, dass Imperator Arkides, der Siebte seines Namens, auf dem Goldenen Thron saß, als Wlachkis rebell…, ich meine, seine Freiheit wiedergewann.«
Hätte Ionnis ihr nicht in diesem Moment aufmunternd zugezwinkert, wäre sie wohl rot geworden. Verfluchte Nervosität.
»Sein Sohn, Prinz Arkides, starb in Wlachkis, und sein Leib wurde über die Sorkaten gebracht, bis nach Colchas. Dort wurde er aufgebahrt. Sein Vater war außer sich vor Trauer, und er ließ ein Mausoleum für seinen geliebten Sohn errichten, das er …«
Ihre Stimme verklang, und sie hüstelte. Es kostete sie einige Überwindung, weiterzureden: »… das er mit den Knochen der Mörder seines Sohnes füllen wollte.«
Sie erwartete einen Aufschrei, zumindest jedoch einen Aufruhr, aber keiner sagte ein Wort. Verwirrt blinzelte sie, bis Kerr erneut fragte: »Ich weiß nicht, was ein Mauselom ist. Aber was ist mit dem Speer?«
»Wenn er noch existiert, dann in jenem Mausoleum. Arkides, der Siebte seines Namens, verweigerte den Priestern der Agdele jeden Zutritt, um die notwendigen Rituale durchzuführen und den Leib der Göttin zu übergeben. In
seiner Trauer sperrte er sich selbst tagelang mit seinem toten Sohn ein. Er ließ niemand an ihn heran. Die Priester sagten ihm den Zorn Agdeles voraus und verkündeten, dass der Imperator von der Göttin mit Wahn gestraft worden sei. Jedenfalls hat der Goldene Imperator das Mausoleum versiegeln lassen, nachdem die gesamte weltliche Habe des jungen Prinzen dort hineingebracht worden war.«
»Und?«, fragte Natiole mit kaltem Spott in der Stimme. »Hat Eure Göttin Euch und den ungehorsamen Imperator bestraft?«
Wütend blickte Artaynis ihn von oben herab an.
»Arkides, der Siebte seines Namens, erholte sich nicht mehr von diesem Schicksalsschlag. Er war ein schwacher Regent, das Beispiel von Wlachkis machte Schule, und für Jahrhunderte schrumpfte das Reich weiter und weiter, während Barbaren an den Grenzen nach dem Gold und dem Blut meiner Heimat lechzten. Vielleicht war es tatsächlich Agdeles Zorn über die Häresie des Imperators, der auf dem Imperium lastete.«
»Das kann gewiss kein Sterblicher beurteilen«, warf Ionnis versöhnlich ein.
»Zumindest kein Sterblicher, der nicht mehr weiß, wohin er gehört«, murmelte Natiole, was ihm einen warnenden Blick des Voivoden eintrug.
Artaynis lenkte ihre Aufmerksamkeit beinahe unwillig von den gegensätzlichen Prinzen wieder auf das große Wesen vor sich. Der Troll blickte die junge Dyrierin noch immer an. Die Wülste seiner Augenbrauen waren zusammengezogen, so als ob er sich im Kopf wichtige Fragen stellte. Es kann für ihn nicht einfach sein, die menschliche Geschichte zu verstehen, dachte sie.
»Der Speer ist in deiner Heimat?«, fragte Kerr schließlich langsam und bedächtig.
Artaynis legte abwägend den Kopf zur Seite. »Das weiß
ich nicht«, erwiderte sie ehrlich. »Aber wenn er überhaupt irgendwo ist, dann wohl dort.«
»Dann gehen wir dorthin«, stellte der Troll fest, und seine Worte klangen so unverrückbar wie die Fundamente der Welt.
13
D ie Stimmung in dem kleinen Raum war gereizt, obwohl der größte Teil der Berater inzwischen die Versammlung verlassen hatte. Vielleicht war dies aber auch der Grund für die finsteren Blicke. Der Voivode hatte die Besprechung in den kleinen Saal verlagert, als deutlich wurde, dass nur wenige bei den weiteren Besprechungen anwesend sein mussten. Die meisten Ratsmitglieder hatten trotz der Aufregung über den Trollbesuch gern die Möglichkeit ergriffen, endlich in ihr warmes Bett zurückzukehren.
Die Trolle waren natürlich geblieben, aber auch Şten und seine Söhne, Vintila, Cornel und sogar Artaynis, die jedoch ihr Gesicht auf die Hände gestützt hatte und kurz davor schien, einzuschlafen.
Dazu waren noch Rajav, ein altgedienter Kämpe, der es bis zum Waffenmeister des Voivoden gebracht hatte, und Riclea, die ehemalige Haushofmeisterin Dabrâns, die schon immer Ştens engste Beraterin gewesen war, auch wenn sie seit einigen Jahren keinen offiziellen Posten mehr innehatte, in dem kleinen Saal anwesend.
Immer wieder wanderten die Blicke der Trolle zu Cornel, der ihre hasserfüllten Mienen stoisch ertrug. Der Sonnenpriester wirkte auf Natiole fast wie eine Statue, gefühllos und kalt. Nur wenn er sprach, hörte man den Abscheu in seiner Stimme, der auch in seinen Worten Niederschlag
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