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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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unmöglich. Er hielt sich nicht länger auf, sondern ging weiter.
    Endlich erreichte er den Korridor, der zu Ionnis’ Kammern führte. Die Luft war rauchgeschwängert, aber erträglicher als unten und im Treppenhaus, und es war kühler.
    »Ionnis?«, schrie er und musste sofort wieder husten. Seine Stimme war kratzig und rau, dennoch rief er immer wieder: »Ionnis?« Er erhielt keine Antwort. Hinter der Tür drang kein Laut hervor.
    Mit wenigen Schritten war er bei der Tür. Sie war verschlossen.
    Ungläubig blickte Natiole sie an. Er hatte das Feuer überwunden, war gegen jede Vernunft bis hierhergekommen, und nun stand er vor einer simplen verschlossenen Tür. Sein eigenes Handeln erschien ihm wie Narretei, dennoch rüttelte er an dem Griff, trat gegen die Tür, brüllte wieder und wieder den Namen seines Bruders. Es gab keine Antwort, und das alte Holz blieb fest, versperrte ihm den Weg.
    Mit aller Kraft warf der junge Wlachake sich gegen die Tür. Ein stechender Schmerz zuckte durch seine Schulter, trieb ihm die letzte Luft aus den Lungen, aber die Tür hielt seinem Ansturm stand. Ein Einzelner würde sie nicht aufbrechen können, nicht ohne Zeit und Werkzeug, das wurde ihm mit schmerzhafter Deutlichkeit bewusst. Kein Mensch
war kräftig genug, um die Eisenbeschläge zu brechen, das feste Eichenholz zu zertrümmern. Und ewig würde es nicht dauern, bis die Flammen auch diesen Korridor und damit ihn erreichten. Trotz dieser Einsichten sprang Natiole wieder zurück, wollte gerade Anlauf nehmen, als sich ein schweres Gewicht auf seine Schulter senkte.
    »Lass mich«, brummte Kerr, der sich in dem Gang ducken musste, damit seine Hörner nicht über die Decke schabten.
    »Was tust du hier?«, fragte der junge Wlachake tumb vor Überraschung. Der Troll deutete mit einem klauenbewehrten Finger auf die Tür: »Aufbrechen.«
    »Nein, hier oben?« »Ştens Leute haben ihn nach unten zurückgebracht. Er hat mir gesagt, sein Sohn ist noch hier. Also bin ich dir gefolgt. Im Stamm kümmern sich alle um die Jungen.«
    Ohne seine Worte weiter zu erläutern, trat der Troll zwei Schritte vor, lehnte sich etwas zurück und sprang dann plötzlich gegen die Tür. Für einen winzigen Moment glaubte Natiole, dass diese auch diesem gewaltigen Ansturm standhalten würde, doch dann zerbrach sie splitternd, und die Trümmer wurden in den Raum dahinter geschleudert. Mit zwei langen Schritten folgte Natiole dem Troll in die Gemächer seines Bruders.
    Durch die geschlossene Tür war nur wenig Rauch hineingelangt, und Natiole zog den feuchtwarmen Lappen von seinem Gesicht und nahm gierig einige tiefe Atemzüge, die ihn erneut husten ließen. Sein ganzer Körper fühlte sich überhitzt an, Schweiß hatte sich mit dem Wasser vermischt und bildete mit dem Ruß eine schmierige Schicht auf Haut und Kleidung. Die feinen Haare auf seinen Armen waren versengt, und er war sicher, dass das auch auf seine Augenbrauen und Wimpern zutraf. Vom Hof her drangen Rufe zu ihnen empor, gedämpft durch die Fensterläden.
    »Hier«, rief Kerr und lief weiter, durch eine schmale
Verbindungstür, bei der der Troll in die Knie gehen musste, um sie passieren zu können. Tatsächlich lag dort Ionnis neben seinem Bett. Regungslos, wie Natiole sofort bemerkte, halb noch in die Decke gewickelt.
    Sofort stürzte der junge Wlachake zu seinem Bruder. Ionnis’ Haut war warm, doch selbst als Natiole ihn umdrehte, rührte er sich nicht.
    »Ihr Geister«, entfuhr es dem jungen Wlachaken. »Er ist tot!«
    »Nein«, entgegnete Kerr. Überrascht sah Natiole auf.
    »Ich kann sein Herz hören und seinen Atem riechen«, fuhr das gewaltige Wesen ungerührt fort. »Er lebt.«
    »Wir müssen ihn hier rausschaffen.«
    Diesmal widersprach Kerr nicht. Als Natiole seinen Bruder vorsichtig umdrehte, spürte er etwas Feuchtes, Klebriges an seinen Haaren: Blut! Blut? Wie kann das sein? Er muss beim Alarmruf aus dem Bett gesprungen und gestürzt sein.
    »Los«, brummte der Troll. Seine großen Pranken griffen nach Ionnis, aber Natiole presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Ich trage ihn«, erklärte er bestimmt. Mit einem Ruck zog er Ionnis auf seine Schulter. Sein Bruder war erstaunlich schwer, und als Natiole sich aufrichtete, keuchte er vor Anstrengung. Vorsichtig folgte er Kerr, der bereits den Rückweg angetreten hatte. Schritt für Schritt ging der junge Wlachake zur Treppe. Der einzige Gedanke, der seinen Geist erfüllte, war, seine Last sicher zu ihrem Vater zu

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