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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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bringen. Halt durch, Ionnis, flehte er stumm. Es wird alles gut, Bruder, es wird alles gut.
    Der Rauch war dichter geworden, und das Feuer knisterte und knackte deutlich hörbar unter ihnen. Die massige Gestalt des Trolls versperrte Natioles Sicht, und er verlagerte vorsichtig Ionnis’ Gewicht, um das Tuch wieder über Mund und Nase zu ziehen. Doch die Feuchtigkeit war fast
gänzlich aus dem Stoff gewichen, und der Rauch reizte seine Lunge stärker als zuvor. Hustend schritt er die Treppe hinab und wäre beinahe in Kerr hineingelaufen, der unvermittelt stehengeblieben war.
    »Das Feuer ist hier«, erklärte der Troll und hustete. Der Laut klang abgehackt, und er verwunderte Natiole. Ich hätte nicht gedacht, dass Rauch einen Troll stört. Sie wirken so … unbeirrbar, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Wir müssen hier herunter«, erwiderte der junge Wlachake flüsternd. Jedes laute Wort kratzte in seinem Hals, und der Hustenreiz war beinahe übermächtig.
    »Hier kommen wir nicht durch. Gibt es keinen anderen Weg?«
    Entsetzt drückte sich Natiole an dem Troll vorbei. Tatsächlich schlugen unter ihnen Flammen aus dem Gang, leckten über die Wände und krochen über die hölzerne Decke des Treppenhauses. Eingerahmt von dunklem Rauch wären die Flammen fast schön zu nennen gewesen – wenn sie nicht eine so tödliche Gefahr dargestellt hätten.
    »Es gibt keinen anderen Weg.«
    Ein einfacher Satz, aber Natiole wurde sich seiner immensen Bedeutung sofort bewusst, als er ihn aussprach. Sie saßen in der Falle, eingesperrt in einem Flammenmeer, das nach ihren Leibern griff. Einige Momente starrte Natiole fassungslos auf das Feuer, das nun ihr Todesurteil war, dann musste er wieder husten. Krämpfe in seiner Brust ließen ihn zusammenzucken, brannten bei jedem qualvollen Atemzug. Als Kerr sich zu ihm umwandte und mit größter Leichtigkeit Ionnis von seinen Schultern nahm, wehrte er sich nicht. Und auch als der Troll ihn am Arm packte und halb die Stufen emporschleifte, ließ Natiole es mit sich geschehen. Selbst wenn er gewollt hätte, wäre eine Gegenwehr unmöglich gewesen; der Griff des Trolls war so fest wie die Berge des Landes, und Natiole konnte kaum atmen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen.

    Erst als sie wieder im Schlafzimmer seines Bruders waren und die frischere Luft atmeten, ließen die Schmerzen und der Husten nach, und Natioles benebelter Geist klärte sich.
    »Das ist die einzige Treppe«, erläuterte er noch einmal. »Wir sitzen hier fest wie Ratten in der Falle.«
    Seltsame Visionen erschienen vor seinem inneren Auge. Sein Vater, jünger, wie er in der Kapelle der Feste gefangen saß, umzingelt von den Masriden. Seine Mutter als Geisel Zorpads, die in einem der Zimmer hier wie eine Gefangene gelebt hatte. Beide hatten innerhalb dieser Mauern dem Tod ins Auge gesehen, und nun blühte ihren Söhnen das gleiche Schicksal.
    »Dann klettern wir«, verkündete Kerr entschlossen.
    Ein kurzes Lachen bahnte sich den Weg in Natioles Kehle, ging aber nahtlos in einen schmerzhaften Hustenanfall über.
    »Da runter? An der senkrechten Mauer?«
    »Ja«, erwiderte Kerr ungerührt, als beträfe ihn der Spott in Natioles Stimme nicht.
    »Ausgeschlossen. Und selbst wenn wir das schaffen sollten, was ist mit Ionnis? Ich lasse ihn nicht zurück.«
    Der große Troll kratzte sich am Kinn. Langsam ging er zum Fenster, blickte hinab.
    »Ich trage ihn«, sagte er mit fester Stimme. »Ich kann gut klettern.«
    Wie zum Beweis hob er seine Hand mit den beeindruckenden Klauen empor. Unschlüssig sah Natiole zu ihm auf, dann blickte er wieder auf Ionnis. Aber der Troll hatte recht: sie hatten keine Wahl. Das Feuer würde zu ihnen kommen, und niemand konnte sie retten. Sie waren auf sich allein gestellt, und es gab nur noch diesen einen Weg hinaus.
    »Gut. Wir klettern.«

17
    H errin, bitte beeilt Euch!« Voicas Augen waren vor Schreck geweitet, und ihre Hände zitterten, als sie Artaynis half, das Kleid überzuziehen. Das Mädchen selbst war barfuß, und ihr Gesicht sah verschlafen aus.
    Mit einem Ruck zog die Dyrierin den Stoff ihres Kleides nach unten. Das musste an Förmlichkeit genügen. Zwar konnte sie weder Brandgeruch riechen noch die Flammen sehen, aber Voicas Sorge wirkte ansteckend. Ein Feuer konnte rasch zur tödlichen Falle werden.
    »Lass uns gehen«, wies Artaynis ihre Zofe an, während sie mit den Zehen nach ihren Sandalen tastete. Sie folgte Voica in den Gang vor ihrem Gemach. Schon auf der Treppe

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