Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Sonnenspriester an. »Ihr mögt mich nicht besonders, aber das ist mir egal. Ihr kennt mich, und ihr wisst, warum ich noch immer in Teremi lebe und jeden dreimal verfluchten Tag eine Predigt zu Ehren des Göttlichen Lichtes halte. Weil die Voivodin Viçinia cal Sareş es mir erlaubt hat. Weil sie wollte, dass ich es tue. Weil sie Frieden zwischen Wlachaken und Masriden wollte, mehr als alles andere. Und weil sie mir vertraute.«
Er hielt einen Moment inne. Viçinias Name hatte noch immer großen Einfluss auf die Menschen, das Andenken der Voivodin wurde von den Wlachaken geehrt. Diesen Eindruck, den die Erwähnung der toten Fürstin machte, musste er nun nutzen.
»Flores cal Dabrân ist tot«, fuhr er fort, und sofort brandeten die zornigen Stimmen wieder auf, doch er beachtete sie nicht, sondern rief nur noch lauter: »Feige ermordet in den Sorkaten. Aber ihr könnt nicht wirklich glauben, dass Gharjaş etwas damit zu tun hat. Er war die ganze Zeit hier, in Teremi!«
»Er ist ein verfluchter Vorbs! Ein Masride«, lautete die wütend gebrüllte Antwort.
»Er ist Wlachake, verflucht noch einmal! Schaut ihn euch an! Ein Wlachake, dem euer Herr vertraut. Ebenso, wie er mir vertraut.«
Diese letzte Behauptung klang in Cornels eigenen Ohren schal und leer. Er vertraut mir gerade genug, um mich nicht hängen zu lassen, dachte er , aber seine Stimme blieb so fest, als habe er keinen Zweifel an seinen Worten.
»Wollt ihr also gegen den Wunsch des Voivoden handeln?
Wollt ihr das Andenken an seine Frau schänden, indem ihr ihrem Willen zuwiderhandelt?«
Jetzt sah Cornel, dass sich die Stimmung wandelte. Die meisten der Anwesenden konnten sich nicht sicher sein, ob der Sonnenpriester die Wahrheit sagte, und in ihren Köpfen machten sich Zweifel breit. Zumindest fürchten sie den Zorn der Obrigkeit, wenn schon nicht das Göttliche Licht, dachte Cornel.
»Euer Herr, der Voivode, hat versprochen, die Schuldigen zu finden. Wollt ihr es nicht lieber ihm überlassen, die Täter zu bestrafen?«
Das endlich brachte die Menge zur Einsicht. Zögernd wichen die Menschen von Gharjaş zurück, bis sich eine Gasse gebildet hatte, durch die Cornel zu dem anderen Priester gelangen konnte. Mit drei schnellen Schritten erreichte er ihn und zog ihm den Sack vom Kopf. Tränen strömten über das Gesicht des Mannes. Und er riecht, als ob er sich selbst beschmutzt hat, dachte Cornel mit einer Aufwallung von Ekel. Dennoch ergriff er den anderen am Arm.
»Komm. Wir müssen zur Festung.«
Damit zog er Gharjaş durch die Traube von Wlachaken, die langsam vor ihnen zurückwichen.
Cornel wusste, dass dieser Moment entscheidend war. Vielleicht würde man sie gehen lassen. Aber ein Einzelner würde ausreichen, damit die Stimmung wieder umschlug. Wenn jetzt einer Hand an sie legen würde, dann wäre es um Gharjaş und ihn geschehen, dessen war sich Cornel vollkommen sicher.
Schritt für Schritt kamen sie voran. Die Blicke der Menge folgten ihnen, wütende und zweifelnde Blicke. Der Sonnenpriester bemühte sich, nicht zu schnell zu gehen, obwohl all seine Instinkte ihn zu rennen hießen. Aber er durfte ihren Rückzug nicht wie eine Flucht wirken lassen. Schließlich, nach einer Zeitspanne, die ihm wie eine Ewigkeit
vorkam, erreichten sie den großen Platz vor dem Tempel des Albus Sunaş.
Erst hier wagte es Cornel, sich umzudrehen. Die Meute der Wlachaken war weit hinter ihnen zurückgeblieben, und der Sonnenpriester sandte ein Stoßgebet zum Himmel.
Gharjaş murmelte unablässig vor sich hin, Dankesworte und zusammenhanglose Sätze.
Cornel seufzte. »Ich bringe dich zur Burg«, erklärte er dann. »Nimm ein Bad. Und um des Lichtes willen, vermeide in nächster Zeit irgendwelche Ausflüge in die Stadt! Nicht einmal zum Tempel, es sei denn, du wirst von Soldaten begleitet. Ich werde mit dem Voivoden sprechen und ihn um Schutz bitten.«
Es war schon spät am Abend, als die beiden Priester in die Festung zurückkehrten. Falls den Torwachen Gharjaş’ erbärmlicher Zustand auffiel, enthielten sie sich dennoch jeden Kommentars, wofür Cornel dankbar war.
Als er den anderen Sonnenpriester in den hinteren Räumen der Kapelle abgeliefert hatte, wusch er sich rasch Gesicht und Hände. Seine nächste Pflicht erschien ihm kaum leichter als die letzte. Für heute Nacht war der Abschied von Bojarin Flores geplant, und er wusste, dass er dem anstehenden Trinkgelage nicht fernbleiben konnte. Obwohl er darauf wenig Wert legte, ahnte er, dass es ihn noch
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