Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
verdächtiger machen würde, wenn er sich nicht zumindest kurz dort zeigen würde.
    Es hatte keinen Sinn, seinen Aufbruch zu verzögern, also verließ er die Kapelle und machte sich auf den Weg zur kleinen Halle. Obwohl er selbst Wlachake war, hatte er das zügellose Trinken, das im Land zwischen den Bergen zu Ehren jedes Verstorbenen abgehalten wurde, stets verabscheut. Warum konnte man nicht still trauern und den Abschied von den Toten jedem Einzelnen überlassen?

    Als er die Halle erreichte, erkannte er schnell, dass die Feier für die Bojarin schon in vollem Gange war. Der Saal war dicht gedrängt voller Menschen, und die meisten hielten Weinkrüge und Becher in Händen, aus denen sie dem Rebensaft schon heftig zugesprochen hatten.
    Ein Mann mit schütterem, eisgrauem Haar, den Cornel nur vom Sehen kannte, hielt gerade seine Abschiedsrede: »… und dann, als die Lage für die Geiseln schon mehr als brenzlig war und auch Nati und Şten schon verdammt in der Klemme saßen, kam Nemes Flores hinzu, die einen ganzen Haufen Trolle mitbrachte. Und ich bin mir sicher, sie hatte den großen Burschen damit gedroht, sie anständig zu verprügeln, falls sie ihr nicht halfen, ihren Bruder zu retten.«
    Gelächter erfüllte die kleine Halle, respektvoll und belustigt zugleich, als der Alte seine Geschichte über die aus der Hand von Zorpad Dîmminu befreiten Geiseln zum Besten gab.
    Mit den Augen suchte Cornel den Voivoden, der am Kopf einer langen Tafel saß, inmitten seiner Untergebenen. An seiner Seite saß die junge Dyrierin, die einen Weinkrug unbeachtet vor sich stehen hatte. Noch jemand, dem nicht nach einem Rausch zumute ist, dachte Cornel.
    »Trink, Vorbs.« Jemand stieß den Sonnenpriester unsanft in die Seite. »Oder willst du die Bojarin nicht ehren?«
    Hastig nahm Cornel den angebotenen Becher entgegen. »Auf Flores cal Dabrân!« Er trank einen tiefen Zug.
    »So is’ besser.«
    Zufrieden torkelte der Betrunkene weiter. Der Sonnenpriester drängte sich zum Tisch des Voivoden durch. Als die Dyrierin ihn kommen sah, rückte sie zur Seite, so dass er auf der langen Bank neben ihr Platz nehmen konnte. Dankbar nickte er ihr zu.
    »Ich habe über Eure Worte nachgedacht«, flüsterte sie ihm zu. »Ich glaube, dass tatsächlich jemand einen neuerlichen
Krieg will. Und deswegen musste auch die Bojarin sterben.«
    Cornel deutete mit dem Kopf in Richtung des Voivoden: »Glaubt er das auch?«
    Unschlüssig neigte Artaynis den Kopf.
    Şten cal Dabrân hatte sich eben erhoben, und er schwenkte seinen Krug in Richtung der Gäste.
    »Meine Schwester«, begann er mit lauter Stimme, die alle anderen Anwesenden beinahe augenblicklich zum Verstummen brachte. »Meine Schwester war ein dreimal verfluchter wlachkischer Dickschädel. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es keine Macht auf der Welt, die sie hätte davon abbringen können. Deshalb ist sie die beste Kämpferin Dabrâns geworden. Deshalb hat sie vor zwanzig Jahren Nati, Viçinia und mich gerettet. Deshalb hat sie die Trollschlacht für uns entschieden. Und mit der derselben Hartnäckigkeit hat sie daran festgehalten, einen Masriden zu lieben – Tamár Békésar, mit dem zusammen sie nun ihr Ende fand. Ich bin mir sicher, dass sie bis zum letzten Atemzug gekämpft hat. Und ich hoffe, was Flores im Leben nicht vergönnt war, wird sie nun im Tod finden: ihren Frieden. Unsere Aufgabe aber ist es, die zu finden, die ihren Tod verschuldet haben. Jeden Einzelnen von ihnen.«
    Dann hob der Voivode seinen Krug: »Auf Flores!«, und leerte ihn bis zur Neige.
    Beinahe jeder im Saal tat es ihm gleich. Als Şten sich wieder setzte, fiel Cornel auf, dass der Voivode zwar offenkundig schon getrunken hatte, aber noch deutlich nüchterner war als die meisten anderen Anwesenden.
    »Ihr seid mutig, heute Nacht hierherzukommen«, sagte er zu Cornel gewandt.
    »Es wäre weitaus törichter gewesen, nicht zu erscheinen«, gab der Sonnenpriester zurück.
    »Die Wut der Wlachaken ist groß, Priester. Niemand
weiß, von wem Ardoly jetzt regiert wird und was die Masriden planen. Vintila und viele andere meiner Ratgeber fordern, dass wir die wehrhaften Männer und Frauen unseres Landes unter dem Kriegsbanner sammeln, und ich bin geneigt, ihnen recht zu geben. Nicht einmal ich weiß, wie lange ich den Albus Sunaş noch schützen kann.«
    »Den Zorn der Menschen habe ich heute bereits zu spüren bekommen«, entgegnete der Priester. Und dann, plötzlich, kam ihm eine Eingebung: »Lasst

Weitere Kostenlose Bücher