Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Trolle genauso transportiert hatten, um Zorpad mit den gewaltigen, kriegerischen Wesen überraschen zu können. Besorgt sah der junge Wlachake, wie die Ladeflächen etwas herabsackten. Aber die Karren hielten wieder einmal, und die Ochsen setzten ihren langsamen Trott widerwillig fort.
Als die Sonne aufging, hatte Natiole kaum einen Blick für die Trolle übrig. Zwei Soldaten warfen grobe Decken über die Leiber. Sie hatten sich angewöhnt, alle Trolle zu bedecken, auch wenn es nur Wrag war, der so besonders unter dem Sonnenlicht litt. Vermutlich würde die alte Krähe Cornel jetzt wieder erklären, dass es eine Strafe des Göttlichen Lichts sei, dass Wrag nicht einmal Sonnenlicht ertragen kann. Als wenn ein Sonnenbrand irgendeine Bedeutung hätte. Dennoch war dem jungen Wlachaken beim Gedanken an die Predigten des Sonnenpriesters nicht wohl. Denn in einem hatte er zumindest recht: Die Trolle waren gefährlich und fremdartig. Man tat gut daran, dies nicht zu vergessen.
Dösend ritt Natiole weiter. Die aufgehende Sonne vertrieb den Morgennebel langsam, doch die Wolken schwächten ihre Kraft. Dennoch wurde es angenehm warm, und das sanfte Schaukeln des langsamen Gangs tat das Seine, um den jungen Wlachaken fast einschlafen zu lassen. Von seiner Umgebung nahm er kaum noch etwas wahr, und als sie endlich rasteten, war er mehr als froh, absteigen und sein Bein hochlagern zu können.
Die Soldaten setzten sich im Kreis zusammen und spielten das Moraspiel, aber Natiole beteiligte sich nicht daran. Die Trolle schliefen ihren traumlosen Schlaf, und nach einem Frühstück, das zugleich Abendessen war, versank auch Natiole, in eine Decke gewickelt, in tiefen Schlummer.
Das Ab- und Aufsatteln ging dem jungen Wlachaken leicht von der Hand, und bald nach ihrer Rast saß er wieder im Sattel, jetzt wach und ausgeruht.
Schon früher war er tagelang durch das Land geritten, häufig ganz auf sich gestellt. Die Reise brachte diese Erinnerung wieder zurück. Es war der Wille seiner Eltern gewesen, dass er das Land gut kennenlernte, über das er einmal herrschen würde, und dies war eine der wenigen Pflichten gewesen, die er wirklich gern erfüllt hatte. Auch an die Reisen ins Mardew erinnerte er sich, an Désa im kargen Hochland, an die häufigen Wechsel zwischen Dabrân und Teremi. Vielleicht war Teremi immer Zentrum meines Lebens, aber meine Kreise führten in jede Ecke meiner Heimat. Allerdings nicht ganz in jede, wie er sich eingestehen musste. Ardoly im Osten hatte er nur selten besuchen können, obwohl er in seinem Innersten wusste, dass es auch Teil seiner Heimat war. Jedes Mal, wenn er den masridischen Namen dachte oder gar aussprechen musste, wurde ihm dies wieder bewusst.
Als wolle das Land selbst ihn an diese Schmach erinnern, zeichneten sich vor ihnen im Abendlicht einige Berittene auf der Straße ab, die ihnen ohne Hast entgegenkamen. Das warme Licht der Sonne fiel auf die mit dicken Metallstreifen beschlagenen Lederrüstungen, welche die Masriden als leicht bezeichneten, Schilde und Speere. Schienen an Armen und Beinen und Helme, die beinahe das ganze Gesicht bedeckten, vervollständigten das Erscheinungsbild der Reiter. Es waren gut ein Dutzend. Vorsichtig blickte Natiole zu Arvan, dem Anführer der Soldaten. Der erfahrene Kämpe zuckte mit den Schultern, aber seine Hand bewegte sich unbewusst zum Griff seines Schwertes.
Die Wlachaken hatten natürlich Rüstungen und Waffen bei sich, doch für den langen Ritt trugen sie nur einfache Wämser und das Nötigste an Ausrüstung am Leib. Ihre Rüstungen lagen gut verstaut in den Karren. Und werden wohl bei der Ankunft schön nach Troll stinken, dachte Natiole halb erzürnt, halb amüsiert. Aber der durchdringende Trollgeruch war kein Problem, die Masriden schon.
»Warum sind sie gerüstet?«, flüsterte er Arvan zu.
»Vielleicht jagen sie Wegelagerer? Oder es ist eine ihrer Patrouillen, mit denen sie uns Stärke beweisen wollen?«
»Ein Überfall vielleicht? Ein Raubzug nach Wlachkis?«
Der Soldat schüttelte den Kopf.
»Sie tragen Békésars Wappen – den Greif. Niemand würde es wagen, Marodeure im offiziellen Wams von Ardoly reiten zu lassen.«
»Gut«, murmelte Natiole, der die Einschätzung des Soldaten teilte. Vermutlich handelte es sich um Krieger des Marczegs selbst, die in der spärlich besiedelten Gegend für Recht und Ordnung sorgen sollten. Aber sein Misstrauen gegenüber den Masriden saß tief.
»Alle verhalten sich ruhig«, befahl er leise.
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