Der Zorn des Highlanders
dass du Herrin von Cairnmoor wirst?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sir Cameron hat doch mit dir geschlafen.«
Avery lehnte sich an die kalte Steinwand. So kurz und knapp, wie sie nur konnte, erzählte sie Elspeth alles über ihre gemeinsame Zeit mit Cameron. Sie schilderte ihr, wie anfangs der Racheplan im Vordergrund stand und wie sich das allmählich änderte. Sie berichtete auch von Camerons Misstrauen gegenüber Frauen und von den Ursachen dafür. Dann wartete sie, während Elspeth über alles, was sie soeben erfahren hatte, nachdachte.
»Du lieber Himmel, drei Jahre Enthaltsamkeit«, murmelte Elspeth schließlich und schüttelte den Kopf.
»Eine ausreichende Erklärung für sein Verlangen.«
»Nein. Ein oder zwei Nächte mit dir hätten es dann auch getan. Nach allem, was du mir erzählt hast, war das mehr als nur eine kurze Brunstzeit.«
»Das möchte ich gerne glauben. Von meiner Seite aus war es mehr. Und als ich es einmal als Brunst bezeichnet habe, ist er sehr wütend geworden. Er hat mir befohlen, unsere Affäre niemals mit Brunst zu vergleichen.«
»Aha, Avery, das sind die Worte, auf die du deine Hoffnung setzen solltest.«
»Glaubst du wirklich?« Auch Avery hatte sie für ausschlaggebend gehalten, doch sie hatte Bedenken gehabt, ihren eigenen Gefühlen und Schlussfolgerungen zu trauen.
»Ja, wirklich, und du solltest auch daran glauben. Du hast nur Angst, deinen Gefühlen Vertrauen zu schenken. Ein Mann, der ein Mädchen einfach nur als Bettgenossin will, interessiert sich nicht dafür, wie sie ihr Liebesspiel nennt. Wenn sie es im Ärger sagt, widerspricht er vielleicht und macht ihr ein paar beschwichtigende Komplimente. Aber er wird nicht wütend und erteilt nicht solche Befehle.«
»Dennoch hat er mich weggeschickt.« Avery verzog innerlich das Gesicht über den weinerlichen Unterton ihrer Stimme.
»Er musste. Das weißt du. Das war eine dieser Handlungen, die man schnell durchführt, um sich danach in Selbstmitleid zu baden. Schwieriger könnte es für ihn werden, dich zurückzuholen. Das wird für ihn sicher ein größeres Problem darstellen als für dich«, murmelte Elspeth, während sie sich mit den Fingern ans Kinn tippte.
»Wie kompliziert soll es denn noch werden?«, grummelte Avery. »Er hat mich und Gilly gegen Payton eingetauscht und wird ihn zwingen, seine verkommene, verlogene Schwester zu heiraten. Der arme Payton steckt inzwischen vielleicht schon mitten in der Hölle.«
Elspeth schmunzelte. »Sehr dramatisch.«
»Danke.«
»Also, du hast gesagt, dass Cameron seine Meinung geändert hat, dass er Payton keine Vergewaltigung mehr vorwirft und stattdessen die Hochzeit um ein bis zwei Wochen verschoben hat. Damit hat Payton Zeit gewonnen, um zu beweisen, dass Katherine lügt und alle nur überlisten wollte, um ihren Willen zu bekommen.«
»Warum sucht Cameron nicht selbst nach Beweisen für ihre Lügen, wenn er bereits Zweifel hat?«, fuhr Avery auf.
»Auch das weißt du«, tadelte sie Elspeth, wobei die sanfte Stimme, mit der sie sprach, ihr Mitgefühl offenbarte. »Es würde dir auch schwerfallen zu glauben, dass sich einer aus deiner Familie so unehrenhaft beträgt. Du würdest ihn verteidigen, mit allen Mitteln an ihn glauben wollen, und zwar ebenso sehr, wie Cameron an seine Schwester glauben will. Bis zu dem Augenblick, in dem du ein Geständnis hörst.«
»Ich wünschte mir, du würdest damit aufhören.«
»Womit aufhören?«
»Mir all meine Gründe fürs Grübeln zu rauben.«
Avery lächelte schwach, als Elspeth lachte. Es stimmte aber. Sie hatte bei ihren Grübeleien selbst schon viele ähnliche Argumente ins Feld geführt, um ihre tiefe Kränkung zu erklären. Während sie diese Details hin- und herwälzte, musste sie zumindest nicht an Camerons Schweigen denken, das er nicht nur am Abschiedstag, sondern an allen Tagen gewahrt hatte. Es hielt sie davon ab, dem selbstzerstörerischen Gedanken zu huldigen, dass Cameron sie einfach nicht haben wollte. Diese zunehmend düsteren Gedanken erschreckten sie. Da setzte sich Elspeth plötzlich neben Avery und umarmte sie. »Du liebst ihn über alle Maßen.« Elspeth sprach diese Worte als Tatsache und nicht als Frage aus.
»Oh ja«, flüsterte Avery. »Ich habe das Gefühl, dass ein Teil von mir fehlt. Das Gefühl, dass ich mein Leben nie wieder voll und ganz genießen kann, wenn er nicht bei mir ist.«
»Ich kenne das Gefühl. Er ist also ein guter Liebhaber?«
»Du neugieriges Frauenzimmer«, erwiderte Avery und
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