Der Zorn des Highlanders
musste sanft lächeln. »Ich finde schon. Es ist seltsam: Ich hatte den Eindruck, dass er das selbst gar nicht einschätzen konnte. In unserer letzten Nacht hat er mir gestanden, dass er manches noch nie zuvor ausprobiert, sondern nur davon gehört hat. Und ich bin ziemlich überzeugt davon, dass er niemals so … äh, verwegen war, außer mit mir.«
Elspeth nickte und faltete ihre Hände im Schoß. »Cormac hat mir etwas Ähnliches erzählt, nämlich dass er vorher sehr wenige – Abenteuer erlebt hat. Bedenkt man, mit was für einer Hure er sich vor unserer Begegnung herumgetrieben hat, dann überrascht mich das. Aber sie musste wohl das unschuldige Opfer spielen und durfte nicht zu erfahren und anstößig wirken. Ich nehme an, dass du mir keinen Hinweis geben kannst, was du mit verwegen meinst?«
»Du bist ein neugieriges Frauenzimmer.« Avery lachte ein wenig überrascht.
»Hm. Männer reden darüber. Warum sollten wir Frauen das nicht auch tun?«
»Sehr richtig. Gut also, dann sag mir: Habt ihr jemals mit Nahrungsmitteln gespielt?«, fragte Avery schmunzelnd. Als Elspeth vor Verblüffung über diese Frage die Augen aufriss, wusste Avery Bescheid.
* * *
Avery starrte auf den Brief in ihrer Hand. Jemand hatte ihn ihr vor knapp einer Stunde zugesteckt. Sie war fast schon guter Laune gewesen, als sie mit Elspeth aus dem Turmgemach heruntergestiegen war. Doch sofort wurde ihre Stimmung durch diese geheimnisvolle Nachricht von Payton getrübt. Nach einem hastigen Mahl hatte sie sich wieder ins Turmgemach geschlichen, um den Brief zu lesen. Aber sie hatte noch nicht einmal den Mut, ihn zu öffnen. Sie hatte den Verdacht, dass alles, was aus Cairnmoor kam, das gleiche mulmige Gefühl in ihr weckte, das zwischen Bangen und Hoffen schwankte.
»Um Himmels willen, lies ihn doch einfach.«
»Elspeth!« Avery hielt sich die Hand auf ihr hämmerndes Herz und funkelte ihre Cousine an. »Das kann ich nicht mehr, jetzt, wo du hier bist.«
»So?« Elspeth setzte sich auf die Bank neben Avery. »Ich habe keinem erzählt, dass du diesen Brief bekommen hast. Wenn du willst, erzähle ich auch keinem, was darin steht.«
»Bist du sicher? Auch wenn er von Payton ist?«
»Ja. Immerhin befindet er sich nicht in Gefahr. Was Payton mit dieser Hochzeit auf sich nehmen muss, ist vielleicht traurig, aber nicht gefährlich.«
Obwohl Avery nickte, zögerte sie noch immer, die Nachricht zu lesen. Würde sie erfahren, dass Payton Katherine der Lüge überführt hatte und noch immer ein freier Mann war? Wenn dem so war, warum dann diese Heimlichtuerei? War er am Ende doch gezwungen worden, Katherine zu heiraten? Sollte das der Fall sein, bedeutete eine so heimlich überbrachte Botschaft ebenfalls keine guten Nachrichten. Avery stellte fest, dass ihr die heimliche Überbringung dieses Briefs Angst einflößte – ganz abgesehen von ihrem Unbehagen wegen möglicher Nachrichten über Cameron. Alle Gründe, die ihr für eine solche Geheimniskrämerei einfielen, versprachen nichts Gutes.
»Hast du Angst, dass er etwas über Cameron enthält, das dich verletzt?«, fragte Elspeth leise.
»Genau das ist es«, antwortete Avery. »Was mich aber auch beunruhigt, ist diese Heimlichtuerei. Warum muss das sein?«
»Oh. Du kennst Cameron und seine Leute. Könnte Payton auf Cairnmoor in Gefahr sein?«
»Nur in der Gefahr, von Katherines Gejammer taub zu werden. Bestimmt beschwert sie sich lebhaft, dass er ihr alles, was sie sich von dieser Ehe versprochen, vorenthält. Gilly hat ihm geraten, das zu tun, um Katherine so in Zorn zu bringen, dass sie vielleicht die Wahrheit ausspuckt.«
»Durch einen Wutanfall?«, fragte Elspeth, und Avery nickte. »Das könnte funktionieren.«
»Vielleicht«, stimmte Avery zu. »Payton wird es wahrscheinlich probieren, auch wenn er nicht überzeugt war, dass er es schafft. Aber immerhin kann er sich wirkungsvoll für all die Schwierigkeiten rächen, die sie ihm eingebrockt hat.«
»Stimmt. Glaubst du, dass etwas im Brief stehen könnte, das dir alle Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit Cameron raubt?«
»Das ist möglich. Wenn Payton inzwischen mit Katherine verheiratet ist, wird er wie die meisten Mitglieder unseres Clans darüber sehr wütend sein. Was könnte ich denn all diesen negativen Gefühlen entgegensetzen, um mit Cameron zusammen zu sein? Und würde er es überhaupt wollen und mich darum bitten, zu ihm zurückzukommen? Wenn Payton es aber geschafft haben sollte, Katherine als Lügnerin zu
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