Der Zorn Gottes
welche von Euch zu Tode kamen, ermordet unter geheimnisvollen Umständen;
dies würde genug Chaos und Verwirrung hervorrufen, um alle Pläne
des Regenten zunichte zu machen.«
»Und das Gold? Und
Sturmeys Tod?« Nicholas Hussey ergriff das Wort, während der
Regent sich vorbeugte und den Verräter am anderen Ende des Tisches
anfunkelte.
»Oh, das Gold«,
knurrte Cranston. »Natürlich, das hat die Sache dann vollends
besiegelt, nicht wahr? Leider hatten Mylord Bürgermeister und der
verstorbene Sheriff sich für Peter Sturmey entschieden, einen berühmten
Schlosser, der eine neue, mit sechs Schlössern gesicherte Truhe bauen
sollte. Aber was Ihr, Sir Christopher, entweder vergessen oder nicht gewußt
hattet, war, daß unser Meister Sturmey ein Doppelleben führte.
Er liebte Knaben. Vor fünfzehn Jahren war er, wie mancher Große
in dieser Stadt, in einen Skandal verwickelt gewesen. Gegen Sturmey gab es
keine Beweise, aber ich bin sicher, er verfolgte seine heimlichen
Leidenschaften von da an verstohlener und vorsichtiger.« Cranston
verstummte und schaute den königlichen Lehrer an. »Sir
Nicholas, ich glaube, Ihr gingt damals in St. Paul zur Schule?«
Hussey nickte, den Blick
gesenkt, die untere Partie des Gesichts hinter den Händen verborgen.
»Ich erinnere mich an den Skandal«, sagte er leise, »aber
ich wußte nicht viel davon. Ich war damals noch ein Junge.«
»Ja«, sagte Sir
John. »Ihr wart noch ein Junge, genau wie Ihr, Mylord Clifford, der
Ihr als Page in einem mächtigen Londoner Haus wart - bei Sir Raymond
Bragley, der damals Sheriff von London war. Wie sich Mylord Bürgermeister
erinnern wird, ermittelte Bragley damals in dem Skandal, und Ihr, Mylord
Clifford, müßt die wichtigen Botschaften gut gekannt haben, die
Ihr in der ganzen Stadt befördert habt. Vermutlich wußtet Ihr
von Sturmeys geheimen Lastern und auch, daß er ihnen immer noch frönte.
Wer weiß? Vielleicht hat er sich sogar an Euch herangemacht - und so
konntet Ihr ihn erpressen: Entweder er machte Euch einen zweiten Satz Schlüssel,
oder er würde die Höchststrafe für Sodomie erleiden, den
Tod auf dem Scheiterhaufen in Smithfield.«
Clifford starrte auf den
Tisch und spreizte die Hände. Er leistete keinen Widerstand, als
Gaunt dem Gardehauptmann zunickte und dieser ihm den Dolch aus der Scheide
zog.
»Selbstverständlich
mußte Sturmey sterben«, fuhr Cranston fort. »Deshalb
locktet Ihr ihn hinunter nach Billingsgate, wo er am Kai auf Euch wartete.
Ein vorzügliches Ziel, auf das Ihr aus einer dunklen Gasse schießen
konntet.« Cranston zuckte die Achseln. »Was kann ich noch
sagen?«
Clifford fuhr auf und hob den
Kopf. »Ihr könntet zur Abwechslung einmal einen Beweis
erbringen! Das alles sind Vermutungen, Hypothesen, Ihr habt nicht den Fetzen eines Beweises, um einen
königlichen Richter zu überzeugen. Jeder könnte Mountjoy
ermordet haben. Jeder könnte eine vergiftete Süßigkeit
neben Fitzroys Teller gelegt haben. Und was Sturmey angeht - ja, ich
erinnere mich an den Fall, aber Ihr habt seine geheime Werkstatt selbst
gesehen! Jeder könnte ihn gezwungen haben, dort hineinzugehen und
sechs Schlüssel zu machen.«
Cranston trommelte mit den
Fingern auf den Tisch und bemühte sich, seine Panik zu verbergen.
Unter buschigen Augenbrauen hinweg schaute er Athelstan an, der immer noch
ganz gefaßt aussah.
»Lord Adam hat recht«,
bekräftigte der Bürgermeister. »Ich stimme Euch ja zu, Sir
John, aber habt Ihr einen handfesten Beweis dafür, daß Clifford
den Dolch abgeschossen und die Leckerei neben den Teller gelegt hat?«
»Den haben wir«,
sagte Athelstan. »Wir haben das Gold. Eine derartige Menge kostbarer
Barren kann man nicht so leicht durch die Stadt transportieren oder auf
dem freien Markt verkaufen.« Er sah den Regenten an. »Euer
Gnaden, wenn Ihr Eure Soldaten zu Mylord Cliffords Haus schickt, dann, so
meine ich, werdet Ihr das Beweismaterial finden. Ihr müßt nach
einem Jagdbogen oder eher noch nach einer eigens präparierten
Armbrust suchen. Nach Dolchen von der Art, wie sie gegen Mountjoy und
Sturmey verwendet wurden. Und vor allem nach den sechs Goldbarren, die
Mylord Clifford so geschickt aus der Truhe entwendet hat. Der Diebstahl
blieb unbemerkt. Niemand würde auch nur im Traum darauf kommen, daß
jemand einen zweiten Satz Schlüssel haben könnte; sollte der
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