Der Zorn Gottes
auch eine
Frage.«
»Stelle sie.«
»Clifford hat in deinem
Auftrag gemordet?«
»Ja.«
»Und es gibt Leute bei
Hofe und im Rathaus, die in deinem Sold stehen?«
»Du hast gesagt, du hättest
nur eine Frage.«
Athelstan zuckte die Achseln.
»Dein Publikum ist eben gebannt von dir.«
»Dreh dich um, Bruder.«
Athelstan wollte sich
weigern, sah aber wenig Sinn darin, und so gehorchte er.
»Um deine Frage zu
beantworten, Bruder: Der Verrat ist wie eine Weinranke. Er hat viele
Zweige.«
Athelstan stand bewegungslos
da und straffte die Schultern. Als er sich schließlich umdrehte, war
die Gasse leer.
Der Bruder ging hinunter zum
Wollkai, mietete sich ein Boot und lehnte sich im Heck zurück, als
der grauhaarige, zahnlose Bootsmann ihn mit stählernen Armen
kraftvoll zum anderen Ufer ruderte. Athelstan bezahlte und wanderte durch
die Dämmerung heim nach St. Erconwald.
Im Haus und im Stall war
alles still. Jemand hatte Philomels Trog gefüllt, und
das alte Schlachtroß mampfte, als sei dies seine erste und seine
letzte Mahlzeit. Athelstan ging nach vorn zur Kirche und sah erschrocken,
daß die Tür angelehnt stand. Er stieß sie ganz auf,
schlich auf Zehenspitzen hinein und spähte in die Dunkelheit.
»Wer ist da?«
rief er.
Seine Worte klangen hohl und
leer. Athelstan packte seinen Knüppel fester und ging durch das
dunkle Kirchenschiff zum Lettner.
»Wer ist da?«
rief er. »Dies ist das Haus Gottes!«
»Um Himmels willen, Mönch,
du hast mich erschreckt!«
Athelstan fuhr herum und sah
undeutlich die kräftige Gestalt Sir Johns, der an einen Säulensockel
gelehnt dasaß, den wunderbaren Weinschlauch in den Armen.
»Sir John, Ihr sorgt
noch dafür, daß ich graue Haare bekomme!«
»Du wirst sie alle
verlieren, Bruder, und es wird dich einen Dreck stören, genau wie
mich!« Cranston klopfte neben sich auf den Boden. »Komm her,
setz dich. Wo warst du?«
Athelstan ließ sich
neben seinen dicken Freund niedersinken.
»Willst du einen
Schluck Wein?«
»Sir John, dies ist
eine Kirche!«
»Ich habe mit dem
Herrgott geredet; er hat nichts dagegen.«
»Wenn das so ist, Sir
John …« Athelstan griff nach dem Weinschlauch und nahm einen
großzügigen Schluck. »Es stimmt schon«, murmelte
er. »Der Wein erfreut des Menschen Herz.« Er reichte den
Schlauch zurück. »Sir John, ich habe Elizabeth Hobden bei den
Minoritinnen besucht. Sie ist glücklich und zufrieden.«
»Ihr Vater und ihre
Stiefmutter sind im Gefängnis in Marshalsea«, brummte Cranston.
»Der Himmel weiß, was aus ihnen werden wird. Aber bis diese
Dinge geregelt sind, bleibt das Mädchen unter der Vormundschaft des
Gerichts. Und wo warst du noch?«
»In der Hölle, Sir
John. Genauer gesagt, in den Verliesen des White Tower. Morgen bei
Tagesanbruch wird Adam Clifford enthauptet. Er hat mich gebeten, ihm die
Beichte abzunehmen.«
»Dich?«
»Ja, Sir John. Er
sagte, beichten könne er nur bei mir.«
»Und was hat er
gebeichtet?«
Athelstan schüttelte den
Kopf. »Danach dürft Ihr mich nicht fragen, Sir John. Nicht
einmal der Papst kann das Siegel des Beichtgeheimnisses brechen.«
»Aber wir haben den
richtigen Mann verhaftet, ja?« fragte Cranston besorgt.
»Oh ja, Sir John.«
»Und tut es ihm leid?«
»Es tut ihm leid, daß
er sterben muß. Aber er hat das ganze als Spiel betrachtet, fast wie
ein Turnier -eine Sache von Geschicklichkeit und Glück.«
»Und Ira Dei?«
Athelstan holte tief Luft; er
hielt es für das Beste, Sir John nichts von seiner Begegnung am
Wollkai zu erzählen.
»Komm schon, Bruder«,
drängte Sir John. »Du mußt Clifford doch danach gefragt
haben. Das fällt doch bestimmt nicht unter das Beichtgeheimnis.«
»Ja, ich habe ihn
danach gefragt.« Athelstan packte das dicke Handgelenk seines
Freundes. »Sir John«, flüsterte er, »bei Gott, ich
werde es Euch nur erzählen, wenn Ihr mir Euer Wort gebt, wenn Ihr
schwört, es niemandem zu verraten.«
»Du hast mein Wort. Das
genügt.«
»Nun, ich habe Clifford
nach Ira Dei gefragt. Er hat sofort bestritten, irgend etwas zu wissen,
und dann sagte er, seit seiner Verhaftung habe er über vieles
nachgedacht. Was Ira Dei angehe, so sei er nicht sicher; er wolle jetzt
seine letzte Beichte ablegen und werde bald vor Gott treten, und so wolle
er seine Lage durch falsche Anschuldigungen nicht noch schlimmer machen,
aber
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