Der zweite Mord
dieser Obduktion dabei?«
Fredrik Stridh hob die Hand und beugte sich vor, um das feuchte Fax entgegenzunehmen. Er überflog hastig den Text, ehe er anfing, vorzulesen:
»Linda Svensson. Geboren den 23. Januar 1973. Laut Polizeibericht in kniender Stellung in einem Dachstuhl erhängt aufgefunden. Der Oberkörper hing an einer doppelten Flaggenleine. Die Leiche weist an der linken und rechten Vorderseite des Kopfes Verfärbungen auf. An der rechten Seite des Halses sind Hautschäden. Auf der Haut des Halses ist der Abdruck einer Schlinge sichtbar. In diesem steckt noch eine dünne Leine. Darunter ist es zu reichlichen Blutungen ins Gewebe und die Muskulatur gekommen. Schildknorpel und Zungenbein sind gebrochen. Außerdem sind punktförmige Blutungen in den Augen zu erkennen und in der Schleimhaut des Mundes. Die Funde sprechen dafür, dass der Tod durch Erdrosseln eingetreten ist. Geht man davon aus, dass der Tod um Mitternacht zwischen dem zehnten und elften Februar eingetreten ist, dann stimmen die Veränderungen, die die Leiche aufweist, damit überein. Eine vollständige toxikologische Untersuchung ist angeordnet. Proben für die kriminaltechnische Untersuchung sind entnommen.«
Fredrik sah vom Fax hoch und warf es voller Abscheu auf den Tisch.
»Einfach krank! Das wäre schon der Mord an sich, aber sie dann auch noch so aufzuhängen. Sie war bereits tot. Das Aufhängen gleicht mehr einem Ritual. Und auch noch schlampig gemacht. Die Schlinge saß unterm Kinn, und der Knoten war in Scheitelhöhe.«
»Ja. Wirklich krank. Und mit seinem kranken Hirn will der Mörder uns damit etwas sagen«, meinte Irene.
»Sucht in der Vergangenheit, Ghostbusters!«, trompetete Jonny.
Irene konnte sich nicht aufraffen, ihm zu antworten. Er wusste vermutlich nicht einmal, wie Recht er hatte. Sie mussten wirklich in der Vergangenheit wühlen. In dem Durcheinander aus Gespenstergeschichten und Lügen würden sie hoffentlich der Wahrheit über die Löwander-Klinik-Morde auf die Spur kommen. Aber gerade jetzt war die Sache wirklich wie verhext, das musste auch sie sich eingestehen. Das hätte sie Jonny gegenüber jedoch nie zugegeben.
»Wir sehen uns heute Nachmittag gegen fünf wieder. Svante Malm kommt auch und hat dann wohl einen Teil der Laborergebnisse«, schloss Andersson.
Das Sahlgrenska-Krankenhaus erweckte den Eindruck, als hätte es ein schizophrener Architekt gebaut. Alle Baustile, angefangen mit dem späten 19. Jahrhundert, waren vertreten, ein Durcheinander von Ziegelbauten in Jugendstil, Hochhäusern und verglasten Verbindungsgängen aus den letzten Jahrzehnten, das Ganze weder schön noch funktional.
Irene ging zum Haupteingang des Zentralkomplexes. Noch ehe sie das Entree betrat, wusste sie, dass Barbro Löwander draußen auf sie wartete. Die Frau, die neben dem Haupteingang vor dem starken Wind Schutz suchte, musste Sverker Löwanders Exfrau sein. Sie war blond und fast ebenso groß wie Carina Löwander. Die beiden Frauen ähnelten sich, obwohl Barbro den Informationen nach, die Irene über sie hatte, elf Jahre älter war. Sie trug ihr Haar in einem langen Pagenschnitt, genau wie Carina, aber es war nicht so blond, sondern hatte einen matten Grauschimmer. Noch eine, die sich einen Termin zum Tönen geben lassen sollte, dachte Irene. Die Haut von Barbro Löwander war blass. Irene fielen nur selten solche Details auf, aber diese Frau sollte sich wirklich von der Kosmetikindustrie helfen lassen. Eine braun getönte Tagescreme, Wimperntusche und ein hübscher Lippenstift würden bei diesem farblosen Gesicht Wunder wirken. Um alles noch schlimmer zu machen stand Barbro zusammengesunken da und in einen beigen Daunenmantel gehüllt. Versuchte sie sich bewusst unscheinbar zu machen? Dieser Gedanke schoss Irene durch den Kopf, als sie sich lächelnd an die Frau wandte und fragte:
»Entschuldigen Sie. Sind Sie Barbro Löwander?«
»Ja.«
»Hallo. Ich bin Kriminalinspektorin Irene Huss. Können wir uns irgendwo unterhalten?«
Barbro Löwander nickte und ging auf die automatischen Glastüren des Entrees zu. Beide Türhälften glitten zur Seite, und sie konnten das Entree des Zentralkomplexes betreten.
Es war offenbar, dass das Sahlgrenska-Krankenhaus nie den Preis für das einladendste und schönste Entree gewinnen würde. Obwohl man eine rauschende Brunnenskulptur neben das Fenster gestellt hatte, um die Stimmung zu heben. Der Eindruck dieser Skulptur wurde jedoch durch schwimmende Kippen und anderen Müll
Weitere Kostenlose Bücher