Der zweite Mord
Irene.
»Es geht um die Klinik«, war Hannus ruhige Stimme zu vernehmen.
Irene zuckte zusammen. Sie hatte ebenfalls mehrere Male genau dieses Gefühl gehabt.
»Ich bin da deiner Meinung. Die ganze Zeit verweisen die Spuren auf die Löwander-Klinik zurück. Auf das, was vor vielen Jahren passiert ist …«
»Komm uns jetzt nicht schon wieder mit deinem verdammten Gespenst!«, sagte der Kommissar.
»Nein. Kein Gespenst. Wir jagen keine Hirngespinste, sondern einen Mörder. Aber diese Geschichte mit Schwester Tekla, die hat mit der Sache zu tun. Denkt nur daran, dass der Mörder Linda an derselben Stelle aufgehängt hat, an der sich die Krankenschwester vor fünfzig Jahren das Leben genommen hat. Das muss etwas bedeuten.«
»Und was?«
»Keine Ahnung. Wir müssen die Geschichte der Löwander-Klinik näher untersuchen. Vielleicht führen uns die Toten zum Mörder.«
»Du bist wohl total plemplem! Wir sollten nicht im Dreck von gestern wühlen, wenn wir bis zu den Knien in dem von heute stecken!«, brauste Jonny auf.
Andersson saß schweigend da und schaute sie nacheinander an. Es gab offenbar zwei Lager, die einen hielten zu Irene, die anderen zu Jonny. Der Kommissar war eher auf einer Linie mit Jonny, aber irgendwas war da an Irenes Sicht der Dinge. Resolut ergriff er das Wort:
»Hannu, Irene und Tommy, ihr grabt in der Geschichte der Löwander-Klinik. Fredrik, Jonny und Bir … ich selbst machen mit den Lebenden weiter.«
»Wo fangen wir an?«, fragte Hannu.
Die drei »Ghostbusters«, wie Jonny sie sofort getauft hatte, saßen in Irenes und Tommys Zimmer.
»Ich versuche, mich mit Sverker Löwanders erster Frau Barbro zu treffen. Sie kannte Sverkers Eltern und kennt sicher einige der Geschichten über die Klinik. Dann sind da noch ihre gegen Carina gerichteten Vorwürfe, was den Brand der Chefarztvilla angeht. Es ist sicher interessant, auch darüber mehr zu erfahren«, sagte Irene.
Tommy nickte.
»Ich werde noch einmal etwas ausführlicher mit Siv Persson sprechen. Ich würde gerne eventuelle Verwandte von Schwester Tekla ausfindig machen. Falls von denen noch welche am Leben sind. Und dann will ich wissen, wo genau in dem Speicher sie sich aufgehängt hat. Hat Lindas Mörder sie wirklich an derselben Stelle aufgehängt? Daraus ergibt sich dann automatisch die Folgefrage, warum?«
»Und woher kannte er die genaue Stelle?«, fuhr Hannu fort.
Irene war sich sicher, dass es wichtig war, dieser Spur zurück in die Vergangenheit zu folgen. Der Mörder hatte sich ebenfalls wie selbstverständlich in diesem Kontext bewegt. Natürlich war es schlau, sich zu verkleiden, aber genau das konnte ihm auch zum Verhängnis werden. Der Ort, an dem Linda aufgehängt worden war, ließ eindeutig auf Vertrautheit mit der Geschichte der Löwander-Klinik schließen. Das begrenzte den Kreis der Verdächtigen.
»Ich versuche immer noch herauszufinden, welche Patienten im Sommer 1983 oder 1984 in der Löwander-Klinik waren«, sagte Hannu.
Irene nickte und unterdrückte ein Gähnen. Es war ein langer Tag gewesen, und der nächste Tag würde kaum kürzer werden.
Sie musste daran denken, sich von der Friseuse einen neuen Termin geben zu lassen.
KAPITEL 14
Barbro Löwander arbeitete als Sprechstundenhilfe im Sahlgrenska-Krankenhaus. Irene hatte sie früh am Morgen zu Hause angerufen. Erst wollte sie nicht mit der Polizei sprechen, da sie auf keinen Fall etwas mit der Löwander-Klinik zu tun haben wollte. Irene war jedoch unerbittlich, und nach der Drohung, sie ins Präsidium zu einem regelrechten Verhör zu bestellen, ließ sich Barbro Löwander auf ein Gespräch ein. Sie einigten sich darauf, sich um elf am Haupteingang des Sahlgrenska zu treffen.
Das passte Irene ausgezeichnet. Dann würde sie noch die Morgenbesprechung beim Kommissar mitbekommen und sich um einige Schreibarbeiten kümmern können, die liegen geblieben waren. Außerdem konnte sie einen neuen Termin beim Friseur vereinbaren.
»Wir fangen mit Gunnela Hägg an. War jemand bei der Obduktion dabei?«
Alle im Raum schüttelten die Köpfe.
Andersson raschelte mit zwei Faxen und setzte die Lesebrille auf. Er räusperte sich.
»Gunnela Hägg. Geboren 19. Januar 1950. Laut Polizeibericht tot im Durchlass unter einer Brücke aufgefunden. Bei der Leiche lag ein Seitenschneider, an dem Blut sowie einzelne Haare klebten. Am Hinterkopf hatte sie über der Schädelbasis eine Quetschung. Kräftige Fraktur des Schädelknochens. Reichliche Blutung im Gehirn. Der
Weitere Kostenlose Bücher