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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Dann erlitt er einen Gehirnschlag und dann … ging es nur noch bergab. Es machte ihn verrückt!«
    Um ihre Mundwinkel spielte ein schwaches Lächeln. Irene war verwundert, hatte aber gleichzeitig das Gefühl, dass Barbro ihren Schwiegervater wirklich gemocht hatte.
    »Was machte ihn verrückt?«, fragte Irene.
    »Er sah sich gezwungen, die Aufsicht über die Löwander-Klinik abzugeben. Die Klinik war sein Leben. Er hatte schon etliche Jahre zuvor aufgehört zu operieren, kümmerte sich aber immer noch um die gesamte Verwaltung und den laufenden Unterhalt.«
    »Wie gefiel Sverker das?«
    Barbro erstarrte und warf Irene einen eiskalten, verächtlichen Blick zu.
    »Er fand das angenehm. So hatte er Zeit, Carina hinterherzulaufen!«
    »Er interessierte sich also nicht sonderlich für die Leitung der Klinik.«
    »Nein.«
    »Hat Hilding ein zweites Mal geheiratet?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie, ob Geschichten über ihn im Umlauf waren … über andere Frauen …«
    Irene sprach den Satz absichtlich nicht zu Ende, um zu sehen, ob Barbro anbeißen würde. Sie schluckte den Köder mit einer bitteren Grimasse.
    »Ich habe in der Abendzeitung den Artikel über Schwester Tekla gelesen. Natürlich kenne ich diese Geschichte. Wie die meisten, die in der Löwander-Klinik gearbeitet haben. Aber ich glaube kein Wort davon. Alter Klatsch. Dummes Gerede!«
    »Es hat nicht den Anschein, als wüsste Sverker, dass Hilding und Schwester Tekla ein Verhältnis gehabt haben.«
    »Nein. Das ist möglich. Ich weiß, dass sich eine Schwester auf dem Speicher erhängt hat und dass sie angeblich umgeht … aber er hat nie etwas davon gesagt, dass sie ein Verhältnis mit Hilding gehabt haben soll. Wahrscheinlich hat nie jemand gewagt, Sverker diesen Klatsch zu hintertragen.«
    »Es hat nie eine andere Frau in Hildings Leben gegeben, solange Sie ihn gekannt haben?«
    »Nein. Aber er war schließlich schon zweiundsiebzig, als ich Sverker kennen lernte.«
    »Offenbar waren die Eltern recht alt, als Sverker zur Welt kam.«
    »Ja. Hilding war fünfzig und Lovisa muss … fast fünfundvierzig gewesen sein! Oh! Daran habe ich tatsächlich nie gedacht, dass sie schon so alt war. Sie war schon lange tot, als wir heirateten, und Sverker sprach fast nie von ihr. Aber es gab eine Menge, worüber er in all den Jahren nie geredet hat!«
    Jetzt war Barbro wieder bei der Scheidung angekommen. Wie eine Zungenspitze, die ständig um ein Loch in einem Zahn kreist. Man weiß, dass es einem bei jeder Berührung durch und durch geht, aber man kann es trotzdem nicht lassen.
    »Hat er Ihnen nicht erzählt, dass er ein Verhältnis mit Carina hatte?«
    »Natürlich nicht! Wie üblich habe ich es als Letzte erfahren! Ich wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Carina war schwanger und er wollte sich scheiden lassen. Wegen des Kindes. Daran dachte er nicht, dass er bereits zwei hatte! An die verschwendete er keinen Gedanken, als dieses Biest alles tat, um ihn zu bezirzen! Er ging bereitwillig in die Falle!«
    Offenbar war Barbro der Meinung, Sverker sei ein willenloses Opfer von Carinas Verführungskünsten gewesen. But it takes two to tango, dachte Irene. Sie behielt diesen Gedanken jedoch für sich und fragte stattdessen vorsichtig weiter:
    »Wie lange ging ihr Verhältnis schon?«
    »Etwa ein halbes Jahr. Aber das Schlimmste war, dass er mich belog und alles hinter meinem Rücken ablief! Sie trafen sich heimlich, aber trotzdem praktisch vor meinen Augen! Noch nie in meinem Leben hat man mich so gedemütigt!«
    Endlich bekamen Barbros Wangen etwas Farbe und ihre Augen wurden wacher. Das kleidete sie ebenfalls nicht sonderlich. Hass und Bitterkeit stachen zu deutlich hervor.
    Irene hatte das Gefühl, es sei höchste Zeit, die wichtigste Frage von allen zu stellen.
    »Ich hörte jemanden von der Klinik sagen, Sie hätten Carina im Verdacht gehabt, das Feuer in der Chefarztvilla gelegt zu haben …«
    Eine Weile saß Barbro vollkommen regungslos da und starrte geradeaus. Schließlich bewegten sich ihre Lippen und sie sagte:
    »Niemand wollte mir zuhören. Niemand glaubte mir! Aber ich habe sie gesehen.«
    »Wo haben Sie sie gesehen?«
    »Vor dem Haus. Sie drückte sich vor dem Haus herum. Ich sah, wie sie die Klinke der Kellertür drückte. Aber die war abgeschlossen. Dann machte sie ein paar Schritte zurück und schaute hoch zum Obergeschoss. So stand sie ziemlich lange da. Plötzlich hörte ich, wie sie leise lachte, und dann ballte sie die eine Hand zur Faust und schüttelte

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