Der Zweite Tod
sehr glücklich zu sein. Womit, wusste sie noch nicht. Die Gerüche konnte sie noch nicht einordnen. Der Gang von der Landebahn zum Ausgang des FlughaSens führte schnurgerade zur Zollsperre. Hier hörte sie Sofi zum ersten Mal Arabisch sprechen. Um die Sperre passieren zu dürfen, musste man sich an einer Theke eine Gebührenmarke kaufen und damit ein Visum beantragen. All das verstand Linda aber erst, als Sofi es ihr erklärte. Das Durcheinander war so groß, dass Linda das Durch ei nander in ih rem In neren seit der Landung völ lig vergessen hatte.
Wartenummern gab es hier nicht, Sofi musste wie eine Löwin kämpfen. Linda sah ihr aus sicherer Entfernung dabei zu, wie sie zwei arabische Draufgänger davon abhielt, sich vorzudrängeln.
Neben ihr stand eine Frau, die Linda um zwei Köpfe überragte. Ihre Haut glänzte so schwarz wie der Lavastein in Cissis Zimmer. Auch die Frau beobachtete die Szene vor der Visumsausgabe und drehte den Kopf langsam zu Linda, als sie ihren Blick auf sich spürte. Linda versuchte zu lächeln und glaubte, dass die Frau etwas Vergleichbares tat. Aus Ägypten stammte sie bestimmt nicht, auch wenn Linda bisher kaum einheimische Frauen gesehen hatte.
Sofi kam mit den Pässen zurück und strahlte über das ganze Gesicht. Sie zog Linda zur Zollschleuse ganz außen, wo am wenigsten Andrang herrschte. Das war der Durchgang für Menschen aus der Ersten Welt, erklärte ihr Sofi und fand das offenbar ganz normal.
Linda war zum ersten Mal in der Dritten Welt. Sie hatte sich nicht be wusst gemacht, dass Kairo da zu gehörte. Bis her war die Dritte Welt im mer woanders ge wesen. Au ßerdem war sie ja jetzt in Afrika. Sie hatte sich Ägypten stets als etwas ganz Eigenes vorgestellt. Das änderte sich jetzt. Der breite Gang mündete bald in eine große Halle, die durch ein Absperrgitter geteilt wurde. Auf der einen Seite lagen die Gepäckbänder, vor denen nur wenige Menschen auf ihre Koffer warteten. Jenseits der Absperrung drängten sich Hunderte von Menschen. Sie riefen und fuchtelten mit den Armen.
Linda und Sofi waren die einzigen Europäer. Mit ihren Taschen drängten sie sich durch die Menge. Viele fremde Menschen klopften Linda freundlich auf die Schultern und hießen sie in Ägypten willkommen.
Draußen schlug ihnen der warme Wind entgegen. Es roch nach Juni. Der Flughafen lag mitten in der Wüste.
Nuras Pferdeschwanz war so dick wie ein Schiffstau. Sie stand an einen Wagen gel ehnt. Ihr Gesicht wirkte eher südeur opäi sch als arabisch. Sofi hatte ihr erzählt, dass es bei Kopten nicht üblich war, sich mit den arabischen Einwanderern zu vermischen, ihre Ähnlichkeit zu den Frauen auf altägyptischen Wandmalereien war also kein Zufall. Sofi und Nura sprachen nicht, schlossen einander aber so fest in die Arme, dass Linda drei Schritte zurückwich. Nuras Hand fuhr Sofi im Nacken durch das Haar, und Sofi schmiegte sich an sie. Sie gaben sich Küsse. Sofi verwirrte Linda.
Sofi löste die Umarmung und stellte Nura und Linda einander vor. Nura schloss auch sie in die Arme und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Als Linda begriff, dass es gebrochenes Schwedisch war, konnte sie den Inhalt schon nicht mehr rekonst rui eren. Nura fasste in Lindas feine blonde Haare und grinste breit. Sie roch sehr gut, süß und frisch. Nura verschenkte ihre Küsse auch an sie.
Linda saß allein auf der Hinlerbank. Nura und Sofi hielten sich an den Händen. Linda hatte noch nie gesehen, dass Sofi einen Menschen länger als einen Augenblick berührte. Die Fenster waren heruntergelassen, der Wind blies warm und weich. Die Straße lief lange Zeit gerade durch die Wüste und war eine Ver län gerung des Gan ges im Flug ha fen gebäude. Nura rief Fragen gegen den Rückspiegel. Linda beugte sich nach vorn und strich sich die wehenden Haare aus dem Gesicht, ehe sie antwortete. Der Motor rasselte laut. Nach einer Viertelstunde tauchten die ersten Häuser auf, und die Straße verbreiterte sich. Sofi schaltete das Radio ein und stellte es laut. Sie drehte sich zu Linda um und zwinkerte ihr zu.
Der Verkehr wurde immer dichter. Nura und alle anderen Ägypt er fuhren wohl vor all em deshalb Auto, damit sie die ganze Zeit hupen konnten. Linda legte den Arm auf den Fensterrahmen und bettete ihren Kopf darauf. Palmen und Eselkarren zogen an ihr vorbei. Linda verstand jetzt, warum Jamal, der Zeitungs händ ler vom Hornstull, im mer mit he runter gelas senen Fenstern und lauter Habibimusik durch Söder fuhr. Das würde sie zu
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