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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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auf den Gang hinaus, für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich, ob ich etwas sagen soll.
    Â»Hallo, Ministerin« zum Beispiel.
    Oder: »Wissen Sie eigentlich, dass man uns alte Leute im alten Japan verehrt hat wie Gottheiten?«
    Aber das würde alles zu lange dauern, ich schlage der Ministerin die Kanne über den Kopf, das Porzellan bricht, im Kopf der Ministerin bricht auch etwas, vielleicht ein Stück vom Schädelknochen, Kaffee rinnt ihr übers Gesicht, schwarz wie das Blut der Verdammten. Für einen Moment starrt sie mich entgeistert an, dann klappt sie zusammen.
    Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe ganz allein. So eine Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wiegt nicht viel, rein politisch, aber als ohnmächtiger Körper ist sie verdammt schwer.
    Ich habe es trotzdem geschafft.
    Erst den Gang entlang, schleif, zerr, dann die Treppen hinunter, holterdipolter, jetzt bin ich im Keller.
    Die Waschküche, der Vorratsraum, der Heizungsraum. Alles nicht gut. Kann überall jederzeit jemand reinplatzen, und das kann ich gerade nicht brauchen. Was ich gerade brauche, ist Ruhe. Ruhe und ein bisschen Zeit für mich und die Ministerin.
    Ich sehe mich um, ganz hinten neben dem Heizungsraum ist noch eine Tür.
    Das Raucherzimmer!
    Zerr, schleif, mein Gott, ist die Frau anstrengend, und die Tür zum Raucherzimmer ist sicher abgeschlossen, wie immer. Den Schlüssel hat Schwester Terese, jetzt finde ich es wieder weniger günstig, dass Marlen schon seit vierzig Jahren tot ist, weil mit Marlen wäre das jetzt kein Problem. Autoschlösser, Türschlösser, lässt sich alles locker knacken mit einem hochwertigen Kunstfingernagel.
    Zur Not aufbrechen, denke ich und lege die Ministerin vor der Tür ab. Ich drücke probehalber die Klinke hinunter, die Tür geht auf.
    Sie geht auf!
    Aber nur schwer. Da ist etwas hinter der Tür, ein Widerstand. Ich stemme mich dagegen, das Etwas gibt nach, Stück für Stück, jetzt ist die Tür offen, ich ziehe die Ministerin hinein ins Raucherzimmer.
    Der Professor.
    Er liegt auf dem Boden, hinter der Tür, leblos. Ich weiß nicht, ob er tot ist oder nur völlig entkräftet. Sein Gesicht ist kalkweiß, die Lippen sind spröde und rissig, er hat seit vierundzwanzig Stunden nichts getrunken, und das ist lange, wenn du ein alter Mensch bist und sowieso immer ein bisschen dehydriert.
    Ich schließe die Tür, ich betrachte den Professor, dann die Ministerin.
    Ich muss mich entscheiden.
    Er oder sie.
    Er: wiederbeleben, Mund-zu-Mund-Beatmung, Hilfe holen.
    Sie: ein bisschen Spaß haben.
    Ich entscheide mich.
    Ich beuge mich zum Professor hinunter und öffne den Knoten an seiner Krawatte. Mit der Krawatte fessle ich die Ministerin an den Händen, dann drehe ich sie auf den Rücken und stopfe ihr Schwochows Serviette in den Mund. Ich setze mich rittlings auf die Ministerin, mein Hintern drückt ihr den Magen ein, sie stöhnt leise, aber ihre Augen sind immer noch geschlossen. Aus der Platzwunde an ihrem Kopf sickert Blut, aber nur ein bisschen, und das ist gut.
    Wehe, wenn sie mir jetzt einfach verblutet, ohne noch einmal aufzuwachen!
    Ich betrachte ihr Gesicht. Hübsche Frau, die Ministerin. Nicht so schön wie Schwester Terese, aber hübsch. Feine Züge, zarte Haut, alles sehr appetitlich, nur die Nase ist ein bisschen zu breit geraten, aber das macht nichts. Wird ja sowieso nicht mehr viel übrig sein von der Nase, wenn ich fertig bin mit der Ministerin, und ich muss sie ja nicht essen, die Nase, nachdem ich sie abgebissen habe.
    Alle echt.
    Meine Zähne sind alle echt und sehr stabil, aber das habe ich ja schon oft genug erwähnt.
    Â»Frau Block?«
    Â»Ja?«
    Doktor Klupp hat sein Notizbuch zugeklappt, jetzt steckt er den Kugelschreiber in die Sakkotasche.
    Â»Sie wissen es, nicht wahr?«, sagt er.
    Ja, ich weiß es, Schätzchen. Aber es war trotzdem einen Versuch wert. Immerhin steht in der Kontaktanzeige, die ich nie geschrieben habe Hobby: Gewaltphantasien.
    Â»Es war einen Versuch wert«, sage ich. »Eine gute Geschichte ist immer einen Versuch wert. Ich hätte das gerne gemacht mit der Ministerin, nach der Pressekonferenz. Mir war nicht so nach Kuchen zumute, ich habe ihn trotzdem gegessen damals.«
    Â»Das meine ich nicht«, sagt er, »oder nicht nur. Sie wissen, wo wir hier sind. Und Sie wissen auch, wer ich bin, nicht wahr?«
    Â»Ja,

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