Der Zwerg reinigt den Kittel
unterstützen sie dabei!
Wir ermutigen sie dazu, sich immer weiter vorzuwagen!
Es gibt keine Grenzen, wenn es um die Bereitschaft älterer Menschen geht, sich nützlich zu machen, und deswegen hat das Bundesministerium für Familie, Senioren â¦Â«
Mir ist langweilig.
Mein Gott, ist mir langweilig.
Den anderen auch. Frau Wimmer hat den Kopf auf ihren Müllsack gelegt und schläft, unter den geschlossenen Lidern bewegen sich ihre Augäpfel unruhig hin und her, wahrscheinlich träumt sie. Dunkle Träume von Partybäumen und Serviettennegern.
Frau Schnalke wedelt mit einer Hand unter dem Tisch herum und sagt so leise wie möglich: »Liebling, komm her! Komm zu Frauchen!«
Frau Sonne hat ihr Album auf den leergefressenen Teller gelegt und starrt hinein, die Gräfin glotzt vor sich hin, Schwochow bohrt in der Nase und streift alles, was er da so findet, an der Stoffserviette ab, die ihm immer noch über die Titten hängt. Frau Fitz imitiert Schwochow, jede Bewegung perfekt synchron, wie beim Wasserballett. Finger, Nase, Loch, Popel. Begutachten, abstreifen, alles total synchron, nur das mit der Stoffserviette geht nicht bei Frau Fitz, weil sie keine umgehängt hat, deswegen schmiert sie sich alles vorne ins Kleid.
Seltsam?
Ja, da haben Sie recht. Es war seltsam, dass uns die Pressekonferenz nicht interessiert hat, schlieÃlich ist sowas noch nie vorgekommen in der R ESIDENZ . Ein auÃergewöhnliches Ereignis, keine Frage, und jetzt zum Mitschreiben für alle, die für alles immer eine Erklärung wollen:
Es gibt keine.
Keine wirklich gute, es gibt nur das Frühstück in unseren Mägen und die ungewohnte Schwere. Es gibt die Trägheit in unseren alten Köpfen, und vielleicht war er ja da, der eine oder andere Verdacht, vielleicht war sie ja da, die eine oder andere Vermutung, aber es ist nichts daraus geworden. Lauter unfertige Gedanken, sie schwimmen in unseren alten Hirnen herum wie Föten im Fruchtwasser. Gedanken ohne Hand und FuÃ, verkrüppelt und schwächlich, sie werden nie zur Welt kommen.
Jetzt sagt die Ministerin, dass auch diejenigen älteren Menschen, die sich bisher noch nicht nützlich gemacht haben, diese Chance bekommen müssen. Jetzt nimmt sie das Tischmikrophon aus der Halterung und steht auf. Sie hält sich das Mikrophon vors Gesicht und sagt: »Liebe Seniorinnen und Senioren, liebe Bewohnerinnen und Bewohner der R ESIDENZ . Ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie unter Millionen pflegebedürftiger Leistungsempfänger ausgewählt wurden, um bei einem wissenschaftlichen Leuchtturmprojekt mitzuwirken. Sie sind, wenn ich das so sagen darf, die Pioniere und Impulsgeber für eine völlig neue Art von ehrenamtlichem Engagement. Sie werden Geschichte machen, liebe Seniorinnen und Senioren, und Ihre Leistung wird noch Generationen überstrahlen als ein Musterbeispiel an Einsatz und Mut. Ich übergebe nun das Wort an die wissenschaftliche Leiterin des Projekts.«
Die Ministerin setzt sich, die blaugraue Frau beugt sich vor und greift nach dem Mikrophon. Sie zieht es ein Stück näher an sich heran, und da fällt es mir zum ersten Mal auf: rote Fingernägel.
Erdbeermarmeladenrot, würde Suzanna sagen und sich die Lippen lecken.
Blutrot, würde Karlotta sagen, und dass ihr die Blaugraue gefällt, weil die Farbe des Krieges an ihren Fingern klebt.
Gute Farbe für eine Frau, die das Zeug zur Hexe hat, würde Marlen sagen und grinsen.
Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht würde sie nicht grinsen und etwas anderes sagen, zum Beispiel, dass die Farbe genau so ist wie die Farbe der Digitaluhren in der R ESIDENZ .
Unsere Zeit ist abgelaufen, Almut, würde sie sagen. Der Spaà ist vorbei.
»Vielen Dank, Frau Minister.« Die Stimme der Blaugrauen hat eine ganz andere Farbe als ihr Nagellack, angenehm kühl.
»Meine Damen und Herren von der Presse, liebe Probanden.«
Probanden?
»Im Namen der FrontPharma AG möchte ich Ihnen nun kurz das Projekt umreiÃen. Für detaillierte Fragen stehe ich Ihnen im Anschluss an die Pressekonferenz gerne zur Verfügung, die genauen Zahlen entnehmen Sie bitte der Pressemappe.«
FrontPharma?
»Wie Sie wissen, ist die FrontPharma AG Marktführer bei pharmazeutischen Produkten und Medikamenten für ältere Verbraucher. In unserer Forschungsabteilung entwickeln wir seit Jahrzehnten erfolgreich
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