Der Zwerg reinigt den Kittel
dir drin so los ist. Um deine psychische Verfassung. « Marlen sagt das so, wie man voller Staubsaugerbeutel sagt oder Mülleimer mit Deckel . In dem Ton.
Suzanna kichert.
»Willkommen, Herr Doktor! Wie schön, dass Sie endlich da sind, wir haben schon auf Sie gewartet!« Karlotta klettert aus ihrem Bett, sie hat als Erste kapiert, dass dieser Klupp unsere letzte Chance ist, aber das werde ich erst später wissen. Jetzt weià ich nur, dass mir mein Deckel weh tut, wie Marlen sagen würde, und dass es nichts Gutes bedeutet, wenn Karlotta sich einschaltet.
Es bedeutet: Auf in den Kampf!
Jetzt ist sie gelandet und marschiert forsch auf Doktor Klupp zu, die Hand zum Gruà ausgestreckt. Karlottas Hand sieht auch nicht besser aus als meine, nur kleiner. Eine kleine verschrumpelte Affenpfote, sie ragt aus dem Ãrmel der Armeejacke, die Karlotta immer trägt, so ein braungrün geflecktes Ding aus den dreiÃiger Jahren, ein guter Punkt, würde ich sagen. Das ist jetzt ein guter Punkt, um die ganze Szene hier in der Zelle für einen Moment einzufrieren und in aller Ruhe ein paar Details zu besprechen. Meine Lieblingsfarbe zum Beispiel oder mein Lieblingsgetränk. Oder was ich früher so gemacht habe, beruflich, bevor ich ins Altenheim gegangen bin und einen Biographiebogen bekommen habe. Bevor ich kriminell geworden bin.
Pausetaste. Standbild.
Lieblingsfarbe: Schwarz.
Lieblingsgetränk: Kaffee.
Essgewohnheiten: normal.
Schlafgewohnheiten: normal.
Das mit den Schlafgewohnheiten ist eine Lüge, der Rest ist wahr.
Auf die Frage Sind Sie Raucher? habe ich auch wahrheitsgemäà geantwortet. Ich habe nein gesagt. Nein, ich bin Kettenraucher.
Haben Sie soziale Kontakte, zum Beispiel Ehepartner, Lebensabschnittspartner, Kinder, Enkelkinder, Vereinsfreunde et cetera?
Nein. Nur meine besten Freundinnen, Karlotta, Suzanna und Marlen.
Gibt es Personen, Lebewesen, Gegenstände oder Situationen, die bei Ihnen Ãngste auslösen?
Ich weià nicht mehr so genau, was Suzanna und Marlen damals auf die Frage geantwortet haben, aber Karlotta hat nein gesagt. Wie aus der Pistole geschossen, bäng, mitten ins Herz der Wahrheit. Karlotta hat vor nichts Angst, nicht einmal vor sich selbst.
Marlen hat gelogen, was das Zeug hält.
Welcher von den folgenden Beschäftigungen würden Sie in der Pflegeeinrichtung gerne nachgehen?
Musizieren? Ja.
Handarbeiten? Ja.
Gesellschaftsspiele? Ja.
Gottesdienstbesuche? Aber sowas von!
Ich weià nicht, ob Marlen je eine Kirche betreten hat, aber ich glaube nicht. Und ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn sie es eines Tages tut. Wahrscheinlich fallen die Engel vor Schreck aus dem Fresko, und die marmorne Muttergottes fängt zu weinen an. Blut statt Tränen, versteht sich.
Nur bei Welche berufliche(n) Tätigkeit(en) haben Sie ausgeübt? war Marlen ehrlich, weil sie einen schönen Beruf gehabt hat, früher einmal, so wie Karlotta und Suzanna auch.
Suzanna: Krankenschwester.
Karlotta: Lehrerin.
Marlen: Witwe.
Lauter schöne Frauenberufe, und dass Suzanna nur deswegen jahrzehntelang in einem Hospiz gearbeitet hat, weil sie den Leuten gerne beim Sterben zusieht, das muss man ja nicht sagen.
Muss man ja nicht sagen, dass Karlottas Schüler über viele Generationen hinweg ihre Sportlehrerin Karlotta Könick immer nur Killerkönick genannt haben.
Und dass Marlen nicht nur einmal Witwe war, sondern ziemlich oft, das muss man auch nicht sagen, schon weil es zum Berufsprofil gehört.
Siehe: Leichenbestatter.
Siehe: Totengräber.
Die müssen ja auch mehr als einen Menschen unter die Erde bringen, damit sie von ihrem Beruf leben können.
»Sehr witzig«, würde Marlen jetzt sagen und grinsen. »Wirklich witzig, Almut, meine Liebe. Und jetzt erzähl uns von deinem Beruf.«
Regisseurin.
Ich habe jahrzehntelang immer gesagt, dass ich Regisseurin bin, und in alle möglichen Formulare habe ich unter Beruf immer Regisseurin geschrieben, manchmal auch Theaterregisseurin, damit die Leute nicht denken, ich mache irgendeinen künstlerisch wertlosen Schrott beim Fernsehen oder beim Film.
»Komisch«, würde Marlen jetzt sagen und wieder grinsen, »ich habe noch nie von einer Theaterregisseurin gehört, die den Schauspielern in die Kostüme hilft.«
»Seltsam«, würde Karlotta sagen und auch grinsen, »ich habe noch nie von einer Theaterregisseurin gehört, die
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