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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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vom Duft frischen Brots.
    »Hier wohnst du also«, sagte er, als sie vor dem Portone standen, dem großen Tor, das früher einmal für Autos offen stand, heute aber immer fest verriegelt war. Floriana zögerte an der kleinen Tür im Holztor. Sie wollte nicht, dass er mit hereinkam und sah, wie schlicht ihre Wohnung war – erst recht sollte er ihren betrunkenen Vater nicht sehen.
    »Das wär’s dann«, antwortete sie. »Signora Bruno mag keine Besucher.«
    »Und du musst dich ausruhen.« Er strich ihr mit dem Daumen über die Wange. »Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, Floriana.« Wieder küsste er sie, trunken vor Liebe, und wollte sie nicht loslassen.
    »Ich muss gehen«, sagte sie. Ihr Vater könnte jeden Moment die Straße hinuntergewankt kommen.
    »Komm heute nach La Magdalena.«
    »Vielleicht.«
    »Gute-Nacht wird dich sehen wollen. Und ich auch.«
    »Dann komme ich mit Costanza.«
    Sie schlüpfte durch die kleine Tür, schloss sie hinter sich und lehnte sich dagegen, die Augen geschlossen, um die Magie noch einen Moment zu bewahren.
    »Ah, du warst also doch auf dem Fest?«, fragte eine leise Stimme von der Treppe aus. Es war Signora Bruno in ihrem Bademantel, die breiten Füße in ein Paar Pantoffeln gezwängt. »Du siehst aus, als wärst du von einem Prinzen geküsst worden.«
    »Warum sind Sie um diese Zeit auf?«
    »Bin ich immer. Bei der Hitze kann ich nicht schlafen.«
    Floriana schlenderte zu ihr, wobei sie verspielt die Hüften schwang. »Ich bin von einem Prinzen geküsst worden«, sagte sie lachend.
    Signora Bruno vergaß ihre Schlaflosigkeit. »Hol mich der Teufel!«, rief sie aus. »Die kleine Floriana, ausgerechnet!«
    »Ich war nicht auf dem Fest, sondern habe von der Mauer aus zugesehen, und er hat mich gefunden.«
    »Da muss er nach dir gesucht haben.«
    »Ich glaube, das hat er.«
    Signora Bruno kicherte. »Tja, das wird denen eine Lehre sein.«
    »Unsere Liebe ist zu groß. Sie können uns nicht trennen.«
    »Na, erzähl. Wie sieht er aus?«
    Floriana hockte sich auf die unterste Stufe. »Er ist groß und hellhäutig mit blassgrünen Augen wie ein tropisches Meer.«
    »Du musst mächtig in ihn verliebt sein, so wie du seine Augen beschreibst.«
    »Aber seinen Mund liebe ich am meisten, wie sich die Winkel nach oben biegen, und wenn er lächelt, sieht man alle seine Zähne.«
    »Also, du hast gerade deinen ersten Kuss bekommen.« Floriana wurde rot und berührte ihre Lippen mit den Fingerspitzen. »Ich erinnere mich an meinen ersten Kuss. Es war der schönste, den ich je bekommen habe. Könnte ich ihn in eine Schachtel stecken und ab und zu herausholen, würde ich bestimmt besser schlafen. So ist es nie wieder, glaub mir. Einmal verlorene Unschuld kriegt man nicht zurück. Genieß es, solange es dauert.«
    »Sie sind eine alte Schwarzmalerin.«
    »Kann sein, aber eine weise Schwarzmalerin. Hat er dich erst mal gehabt, will er dich nicht mehr stundenlang küssen. Dann wird alles anders. Küssen ist bloß noch Mittel zum Zweck, und meiner Erfahrung nach überspringen die Männer den Teil am liebsten ganz und kommen so schnell wie möglich zum Eigentlichen. Ich rate dir, zier dich lieber, zeig ihm nicht, dass er dich schon rumgekriegt hat.«
    »Aber das hat er!«
    »Nein, hat er nicht. Gib nicht zu leicht nach. Ein Mann wie er denkt vielleicht, dass ein Mädchen wie du eines ist, das du gar nicht bist.«
    Floriana war entsetzt. »Ich werde als Jungfrau heiraten, falls Sie das meinen.«
    »Ja, selbstverständlich wirst du. Trotzdem ist dies eine Zeit, in der du eine Mutter brauchst, die dir die Geschichte vom Storch erzählt.«
    »Aber ich habe Sie, Signora Bruno.«
    »Wusst ich’s doch, dass mein Leben irgendeinen Sinn haben muss. Mir war es nicht bestimmt, selbst einen Prinzen zu heiraten. Stattdessen ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass du einen heiratest.«
    »Wenn ich ihn heirate, kommen Sie und wohnen bei mir auf La Magdalena.«
    »Ah, schön. Dann kann ich glücklich sterben.« Sie stemmte sich ächzend hoch. »Na gut, es wird Tag, und ich kann hier nicht den ganzen Morgen im Bademantel sitzen. Ich habe zu tun – und dieser cretino hat mal wieder seine Geranien ersäuft.« Sie schnalzte tadelnd mit der Zunge.
    Floriana legte sich angezogen auf ihr Bett. Sie war viel zu aufgeregt, als dass sie schlafen könnte. Wieder und wieder spielte sie die Nacht in Gedanken nach, erinnerte sich mit geschlossenen Augen an jeden einzelnen Kuss. Dante war zurück, und er liebte sie.

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