Der Zypressengarten
dem Alten«, neckte Beppe ihn, als Dante zum zweiten Mal den Ball ins Netz schlug. Weil er es schnell hinter sich haben und nach Floriana suchen wollte, riss Dante sich zusammen und besiegte seinen Vater schließlich sechs zu vier. Beppe nahm es recht gelassen hin, denn der Punktestand war nicht allzu niederschmetternd. Er schüttelte seinem Sohn die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich hoffe, dass du im Konferenzsaal genauso gut bist wie auf dem Tennisplatz.«
»Ich werde mein Bestes tun«, versprach Dante.
»Ja, das wirst du sicher.«
Dann bemerkte Beppe Zazzetta, der durch den Olivenhain auf sie zukam. »Was ist jetz schon wieder, Zazzetta?«
Dante ging weg, während sich die beiden leise unterhielten wie Diebe in der Nacht. Er fand die Mädchen beim Swimmingpool, doch Floriana war nirgends zu sehen. »Ich bin allein gekommen«, erklärte Costanza auf seine Frage hin. Dante entging nicht, dass sie sich gerade hielt und sicherer wirkte als früher.
»Wollte sie nicht mitkommen?«
»Weiß ich nicht. Ich habe sie nicht gesprochen«, antwortete Costanza gleichgültig.
Dante runzelte die Stirn. »Tja, Gute-Nacht will sie sehen«, sagte er und ging zu den Stufen, die in den Felsen geschlagen waren. Wenn sie nicht von sich aus herkam, würde er sie eben holen.
24
Dante stieg in seinen silbernen Alfa Romeo Spider, ein Geschenk seines Vaters zur Rückkehr aus Amerika. Gute-Nacht sprang auf die Rückbank und saß mit hängender Zunge da, bereit für ein weiteres Abenteuer. Mit offenem Verdeck und dem Fahrtwind in seinem feuchten Haar brauste Dante die Zypressenallee hinunter zum Tor. Er konnte sich denken, was Costanzas veränderte Haltung bedeutete. Es war kein Zufall gewesen, dass Floriana nicht zum Fest kam und heute nicht mit Costanza zum Schwimmen. Sie wurde bewusst ausgeschlossen. Nun, die sollten sich noch wundern. Entschlossen umfasste er das Lenkrad und fuhr an der Küste entlang nach Herba. Wenige Minuten später erreichte er die Kopfsteinpflastergasse zwischen den alten Häusern.
Er winkte den Einheimischen zu, die das wunderschöne Auto bestaunten.
Vor Florianas Haus in der Via Roma parkte er, stieg aus und läutete. Als niemand kam, klingelte er noch einmal. Schließlich hörte er die vorwurfsvolle Stimme einer alten Frau von der anderen Seite. »Ist ja gut, ich komme ja schon. Nur die Ruhe.« Die Tür öffnete sich, und das runde Gesicht, von dem er annahm, dass es Signora Bruno gehörte, erschien in dem Spalt. Als sie Dante sah, erkannte sie ihn sofort. Seine Augen hatten tatsächlich die Farbe eines tropischen Meers. Sie öffnete die Tür ganz und lächelte freundlich.
»Ich möchte zu Floriana. Ist sie da?« Er blickte über den Innenhof.
»Nein, sie ist ungefähr vor einer halben Stunde weg.«
»Wissen Sie, wohin sie wollte?«
»Ich nehme an, zu Ihnen.«
Dantes Züge verfinsterten sich frustriert. »Ich schätze, sie geht nicht die Straße hinauf.«
»Natürlich nicht. Sie nimmt die Abkürzung durch die Mohnwiesen.«
»Danke, Signora, Sie haben mir sehr geholfen.«
»Signora Bruno «, stellte sie sich vor. »Ich bin wie eine Mutter für Floriana, schon seit Loretta mit dem kleinen Bruder des Mädchens verschwunden ist.«
Dante war überrascht. »Floriana hat einen kleinen Bruder?«
» Hatte einen kleinen Bruder.«
»Das hat sie nie erzählt.«
»Tja, wird sie auch nicht. Ist zu schmerzlich, und Kinder haben ihre Art, die schlimmen Sachen von sich zu schieben. Gott allein weiß, was aus denen geworden ist.«
»Wie grausam, ein Kind dem anderen vorzuziehen. Was für eine Frau tut so etwas?«
»Eine sehr selbstsüchtige. Ich denke mal, ihr Tomatenverkäufer wollte kein älteres Kind. Der kleine Luca war sehr niedlich, und Floriana hat ihn vergöttert.«
»Wie hieß der Tomatenverkäufer?«
Signora Bruno bemerkte das Blitzen in seinen Augen und legte ihm ihre massige Hand auf den Arm. »Lassen Sie es gut sein, Dante. Ich weiß, dass Sie alles richten wollen, aber das können Sie nicht. Sie sind schon lange fort. Falls Loretta wiederkommen und sie sehen wollte, hätte sie es jederzeit gekonnt. Sie weiß, wo das Kind ist. Aber sie will nicht, verstehen Sie? Besser ist, dass Floriana die Vergangenheit vergisst und an ihre Zukunft denkt. Sie ist eine kluge, entschlossene junge Frau. Es ist eine Schande, dass ihre Mutter sie jetzt nicht sieht, denn sie könnte mächtig stolz sein auf das, was trotz allem aus Floriana geworden ist.«
»Sie hat Glück, Sie zu haben,
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