Der Zypressengarten
Leute unterhielt. Er erkannte Costanza gleich wieder und kam sie begrüßen.
»Du bist ja richtig groß geworden«, sagte er lachend und küsste sie auf die Wange. »Wo ist deine verrückte kleine Freundin?«
Die Contessa kam ihrer Tochter zuvor. »Hallo, Dante. Was für eine göttliche Feier.«
»Freut mich, dass Sie kommen konnten, Contessa.« Er nahm ihre Hand und küsste sie.
»Costanza ist oft mit deiner Schwester Giovanna zusammen«, fuhr sie fort. »Sie sind sehr enge Freundinnen, nicht wahr, Liebes? Den Winter über, wenn Giovanna in Mailand in der Schule ist, schreiben sie sich.«
»Ist Floriana hier?« Er ließ seinen Blick über die Gäste schweifen, die im kerzenerleuchteten Garten umherschlenderten.
Costanza zögerte, denn ihre Mutter wollte gewiss nicht, dass sie über Floriana sprach. »Nein, ist sie nicht«, antwortete sie vorsichtig.
Dante überraschte, wie enttäuscht er war.
»Ich weiß nicht, was sie dieser Tage treibt«, erklärte die Contessa lächelnd. »So ein niedliches kleines Mädchen aus dem Ort. Nun, du weißt ja selbst, wie es im Leben so geht. Es ist gut und schön, mit solchen Leuten Umgang zu haben, solange man klein ist. Aber jetzt ist Costanza eine junge Dame, und da ist es nur richtig, dass sie sich mit ihresgleichen umgibt.« Sie gab ein sehr damenhaft geziertes Schnauben von sich.
»Aha«, sagte Dante. »Tja, es ist nett, dass Sie gekommen sind. Ich hoffe, Sie genießen den Rest des Festes.« Mit diesen Worten kehrte er zu seinen Freunden zurück. Doch in Gedanken war er bei dem Loch in der Mauer, von dem aus Floriana früher auf das Grundstück gesehen hatte.
Ihm kam eine törichte Idee, und er ging ins Haus, um Gute-Nacht zu holen. Der Hund schlief in der Küche, sprang jedoch sofort auf, als Dante nach ihm pfiff, denn er war stets für ein Abenteuer zu haben. Glücklich trottete er neben Dante her in den Park. Die Musiker hatten zu spielen begonnen, und einige Gäste begaben sich auf die Tanzfläche. Andere spazierten durch die Gärten oder saßen an den Tischen, die auf die Terrasse gebracht worden waren, um Kaffee zu trinken und sich zu unterhalten. Der Himmel war von Sternen erleuchtet, und der Mond tauchte alles in ein weiches Silberlicht. Dante war es leid, endlos mit Gästen zu plaudern und den Helden zu mimen, obwohl er nicht fand, dass er irgendetwas Besonderes geleistet hatte. Was er tat, haben schon viele andere millionenfach vor ihm geschafft. Aber seinem Vater gefiel der Zirkus. Er genoss das Tamtam und nutzte jeden Vorwand, sich aufzuplustern und allen zu zeigen, wie reich und wichtig er war. Von seinem Sohn erwartete er Großes, vor allem aber wollte er ein stolzer Vater sein, denn für Beppe war der äußere Schein alles – schließlich hatte er jede Lira dafür selbst verdient, nicht?
Als er sich der Mauer näherte, wurde Dante komisch zumute. Der Geist eines kleinen Mädchens, nicht mehr als eine schemenhafte Silhouette in der Nacht, tanzte vor seinen Augen. Er fühlte, wie ihm die Kehle eng wurde, und fragte sich, warum er einen solch lähmenden Verlust empfand.
Abgelenkt von etwas an der Mauer, flitzte Gute-Nacht hin. Dante sah einen sich bewegenden Schatten, wie eine Katze, deren Gestalt für einen winzigen Moment das Licht einfing, ehe sie geschmeidig nach unten sprang. Nur war es keine Katze. Als Dante näher kam, erkannte er, dass es eine wunderschöne junge Frau war.
»Floriana? Bist du das?«
»Dante«, sagte sie leise. Gute-Nacht stürmte aufgeregt auf sie zu. Lachend kraulte sie ihm die Ohren.
Dante beobachtete erstaunt, wie sie sich bückte, um den Hund zu streicheln, als wäre sie kein bisschen überrascht, ihn zu sehen. Für einige Sekunden war er sprachlos. »Er freut sich, dich zu sehen«, sagte er schließlich.
»Ja, das tut er immer. Er ist mein bester Freund.«
»Dann hast du dich um ihn gekümmert, während ich weg war?«
»Natürlich. Wir sind praktisch unzertrennlich.« Sie grinste zu ihm auf, und Dante verblüffte, wie schön sie im Mondlicht war. »Ich wusste, dass du heute zurückgekommen sein musst, weil er mich nicht besucht hat.«
»Also läuft er sonst los, um dich zu suchen?«
»Ja, und er ist sehr klug.«
»Weil er ein Streuner ist. Die sind lebenstüchtiger als Tiere, die in einem festen Zuhause aufgezogen worden sind.«
Er beobachtete sie, als sie aufstand und sich das Kleid glattstrich. Die mädchenhaft geraden Linien ihres Körper waren sanften Rundungen gewichen, und Dante erschreckte ein wenig, dass
Weitere Kostenlose Bücher