Der Zypressengarten
wär’s!« Costanza sah auf ihre Uhr. »Ich muss los. Es war schön, mit dir zu reden, ganz wie in alten Zeiten. Kommst du mit?«
»Ich gehe mit dir bis zur Weggabelung. Den Rest musst du allein gehen. Ich möchte deiner Mutter nicht über den Weg laufen.«
»Ich am liebsten auch nicht!«
An der Gabelung gab Floriana ihr die Tasche mit dem Obst. »Iss das nicht alles auf einmal«, sagte sie. Plötzlich war ihr zum Heulen.
»Das dürfte ich sowieso nie.« Costanza betrachtete die Freundin traurig. »Pass auf dich auf, Floriana.«
»Und du auf dich.«
Kurzentschlossen stellte Costanza beide Taschen ab und nahm Floriana in die Arme, um sie fest zu drücken. »Ich hoffe, dass dich dein neues Leben glücklich macht. Hoffentlich bekommst du alles, was du dir wünschst. Die Engel mögen dich beschützen.«
Als sie die Umarmung löste, bemerkte Floriana, dass Costanza ebenfalls weinte.
Sie blickte Costanza nach, die langsam und beschwerlich den Weg hinauftrottete. Da sie es nicht mehr ertragen konnte, drehte sie sich um und lief eilig nach Hause. Sie musste packen und sich für morgen bereitmachen. Und sie wollte nicht an das denken, was sie zurückließ, sondern an das Leben, das sie erwartete.
In der Wohnung wartete ihr Vater auf sie. Er schien weder betrunken noch verkatert. Vor allem sah er sie mit einem sehr merkwürdigen Ausdruck an. Bevor sie etwas sagen konnte, fiel ihr auf, dass ein Fremder im Zimmer war, ein großer, bulliger Mann mit dichtem schwarzem Haar und fettiger Haut.
»Was ist los?«, fragte Floriana, die fühlte, dass die Situation bedrohlich war, nur nicht sagen konnte, was geschehen sollte.
»Meine Tochter.« Elio streckte die Arme nach ihr aus, doch sie wich zurück und beäugte ihn misstrauisch. »Ich weiß, dass du ein Kind bekommst.« Um Floriana herum drehte sich alles, und sie musste eine Hand an die Wand stützen, damit sie nicht umkippte. »Hab keine Angst, Floriana. Ich freue mich, dass ich Großvater werde. Dieser Mann hier bringt dich an einen sicheren Ort, wo du dein Baby kriegen kannst, ohne dass es einen Skandal gibt. Wenn du so weit bist, kommst du zurück und wir sind wieder eine Familie.«
Floriana starrte den Fremden an. Ihr Mund wurde unangenehm trocken. Wo war Dante? Wie hatte ihr Vater es erfahren? Sie bemerkte, dass er einen dicken braunen Umschlag in der Hand hielt. »Ah, das«, sagte er und tippte mit dem Umschlag auf seine andere Hand. »Das ist eine kleine Gabe von Beppe.«
»Hast du ihn erpresst?« Sie konnte nicht fassen, dass ihr Vater sie so übel hinterging.
»Vielleicht bist du jetzt sauer, aber später wirst du mir danken.«
»Wo ist Dante?«, fragte sie. »Wo ist er?«
»Er wartet bei dem Haus auf dich«, sagte der Fremde.
»Aber ich soll ihn erst morgen treffen.«
»Der Plan hat sich geändert«, fuhr der Fremde fort. »Du kommst jetzt mit.«
»Kann ich noch packen?«
Der Mann nickte. »Natürlich.«
Sie lief an ihm vorbei in ihr Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.
Ihr erster Gedanke war, aus dem Fenster zu klettern und zu fliehen. Aber was, wenn der Mann die Wahrheit sagte? Was, wenn ihr Vater Beppe informiert hatte und er ihm das Geld für sie gab? Wartete Dante womöglich wirklich in La Madgalena? Schließlich könnte er sie nicht anrufen, weil es im Haus kein Telefon gab. Vielleicht hatte Beppe entschieden, dass er alles regeln würde, und das war doch sicher nicht schlecht, oder? In dem Fall müssten sie nichts mehr verheimlichen. Sie konnten offen zu ihrer Liebe stehen.
Mit diesen Gedanken packte sie ihre wenigen Sachen in eine Tasche. Lange brauchte sie nicht. Zudem hatte sie es eilig, aus dem Haus und so weit weg von ihrem Vater wie möglich zu kommen.
Da war etwas Abgestumpftes in seinem Blick gewesen, das ihr nicht geheuer war.
Als sie wieder aus dem Zimmer trat, wollte ihr Vater sie umarmen, aber sie wich ihm angewidert aus und lief die Treppe hinunter dem dicken Mann nach, der nach billigem Eau de Cologne roch. Unten sah sie sich nach Signora Bruno um, die jedoch nirgends zu entdecken war. Schwankend zwischen Aufregung und Furcht, stieg sie in den kleinen schwarzen Wagen, der in der Via Roma parkte. Er sah nicht aus wie ein Auto, das Beppe Bonfanti sich kaufen würde, und Florianas Gefühl sagte ihr deutlich, dass hier etwas nicht stimmt. Nur konnte sie jetzt gar nichts mehr tun. Ihr Puls hämmerte in ihren Schläfen, als der Fremde den Motor startete und der Wagen die Straße hinunterrumpelte.
Floriana sagte kein Wort. Sie
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