Der Zypressengarten
innerlich.
Und ob guter MORGEN! Ihr seid ja früh auf. Wir müssen Biscuit beibringen, länger zu schlafen. Hol mich nach der Arbeit ab, dann gehen wir zusammen einkaufen. Und vergiss nicht, den Kunden mitzubringen. Er könnte wählerisch sein. C.
Rafa kehrte beschwingten Schrittes zum Hotel zurück. Jennifer teilte ihm mit, dass eine Gruppe von sechs jungen Frauen mit dem Zug aus London zum Junggesellinnenabschied eintreffen und eventuell auch Malunterricht wollen würde. Sie fügte hinzu, dass ein paar Vogelfreundinnen aus Holland am Abend kämen und gleichfalls Interesse haben könnten. Rafa zuckte lässig mit den Schultern. Solange genügend Pinsel da waren, unterrichtete er sie alle mit Freuden.
Er frühstückte mit dem Brigadier, Pat, Jane und Veronica, während Grace ihr Frühstück auf ihrem Zimmer einnahm. Biscuit lag brav unter dem Tisch zu seinen Füßen und bekam nichts von ihrer Unterhaltung mit.
»Wie kann ein Mensch so grausam sein?«, fragte Veronica, nachdem sie die Geschichte von Biscuit in der Felsenhöhle gehört hatte.
»Es gibt und gab schon immer sehr böse Menschen auf der Welt«, sagte Pat. »Sue McCain sagt, man darf niemandem trauen, der keine Hunde mag, und ich glaube, dass sie recht hat. Jeder, der einen Hund mies behandelt, hat ein Herz aus Stein.«
»Hört, hört!«, rief der Brigadier mit einem Augenzwinkern zu Jane, die hinter ihrer Kaffeetasse errötete.
Der Brigadier und Jane hatten vieles gemein. Rafa hatte die Begeisterung erlebt, mit der sie ihm von ihrer Kindheit auf einem Armeestützpunkt in Deutschland erzählte, und wie interessiert ihr der Brigadier zuhörte, immer wieder nickte und sich an seine eigene Armeezeit zurückerinnerte. Bisweilen war es, als säßen sie allein am Tisch. Entsprechend wunderte Rafa sich nicht, als beide sagten, sie würden ihre Malstunde ausfallen lassen und stattdessen nach Salcombe wandern. Der Blick, den die zwei dabei wechselten, war zugleich freundlich und verschmitzt. Pat war im Begriff vorzuschlagen, die beiden zu begleiten, als Veronica ihr brüsk ins Wort fiel und eine weitere Ausfahrt mit Greys Boot vorschlug. Nichts war verlockender für Pat als eine Bootsfahrt, und mit einem erleichterten Aufatmen lächelte der Brigadier Veronica zu.
Der Vormittag tröpfelte zäh dahin. Rafa nahm seine Schüler mit hinunter an den Strand, wo sie sich selbst die Stellen auf den Felsen auswählen durften, von denen aus sie das Meer malen wollten. Die sechs jungen Frauen von der Junggesellinnenparty kicherten und flirteten so unverblümt mit ihm, dass sie kaum ihre Farben anrührten, während Grace sie vom anderen Ende mit tödlichen Blicken bedachte und sich bei Veronica und Pat weidlich über ihren Mangel an Klasse beklagte.
Nach dem Mittagessen zog Rafa sich in seine Suite zurück, um etwas Zeit für sich zu haben. Er genoss die Aussicht aufs Meer, das nicht müde wurde, ihn mit seiner Vielfalt zu faszinieren, als ihn plötzlich etwas ablenkte. Es war Marina, die über den Rasen vorn auf Biscuit zuging. Der Hund lag schlafend unter der großen Zeder. Rafa starrte sprachlos hin, während sie langsam auf das Tier zuging, die Hände in den Taschen, die Schultern leicht gebeugt. Dann blieb sie eine Weile vor Biscuit stehen und sah ihn an, als wäre sie tief in Gedanken. Rafa fragte sich, an was sie denken mochte – und wenn es gestern Abend keine Angst gewesen war, die sie zurückweichen ließ, was dann?
Es verging einige Zeit, ehe Marina sich neben den Hund hockte und ihre Hand auf seinen Kopf legte. Rafa konnte das Gewicht ihrer Trauer fühlen, als lastete es auf seinen Schultern. Der Hund indes schlief weiter, während Maria zart sein Fell streichelte, ohne eine Sekunde die Augen von ihm abzuwenden. Rafa konnte nur sie ansehen. Zu gern wäre er nach unten gelaufen und hätte sich zu ihr gesetzt. Er wollte sie fragen, warum der Hund sie so traurig machte. Aber ihm war klar, dass es viel zu aufdringlich wäre. Dazu kannte er sie nicht gut genug. Und er wollte sie nicht stören. Schließlich wich er vom Fenster zurück und ging ins Bad, um sich für den Nachmittagsunterricht frisch zu machen.
Clementine wollte Joe von Biscuit erzählen, hatte aber Angst, dass sie dabei unabsichtlich ihre Gefühle für Rafa durchblicken lassen könnte – und die wurden beständig stärker. Sie beide verband nun etwas: Biscuit war der Vorwand, der sie immer wieder zusammenwerfen würde, und Clementine konnte nicht an den Hund denken, ohne sich gleichzeitig an
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