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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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Eifersucht, weil er ihr vorgezogen worden war. Und sie sprach von ihrem Vater und ihrer tiefen Scham.
    Pater Ascanio lauschte mitfühlend, als sie ihre Maske fallen ließ und ihm all ihren Kummer entblößte. Nachdem sie fertig waren, blieben beide eine ganze Weile stumm, während sich Florianas Worte wie Schneeflocken um sie herum niederließen. Floriana fühlte sich besser, weil sie ihr Herz geöffnet hatte und ihre Trauer gestanden. Sie war weniger verbittert wegen ihrem Vater, weniger wütend auf ihre Mutter, und in Erwartung ihres neuen Lebens mit Dante wurde ihr warm ums Herz.
    »Jetzt verstehen Sie, warum mein Kind mir so wichtig ist, Pater. Ich glaube, Gott hat es mir gegeben, um mich für alles zu trösten, was ich verloren habe. Und ich werde meinen Sohn mit Leib und Seele lieben.«
    Pater Ascanio betete im Stillen, die Engel mögen sie in eine helle, glückliche Zukunft tragen.

28
    Beppe und Dante kamen um neun Uhr im Büro an, wie jeden Morgen. Beppes Fahrer holte sie am Haus der Familie in der Via dei Giardini ab und fuhr sie die zwanzigminütige Strecke zur Fabrik in einem der Hochsicherheitsindustriegebiete am Rand von Mailand. Beppe war stolz auf seinen Sohn. Dante war mit Eifer bei der Sache, lernte schnell und hatte nicht getrödelt, seine Ärmel aufzukrempeln und sich mit jedem Teil ihres Geschäfts vertraut zu machen, angefangen von den Fabrikhallen bis hinauf zum Vorstandszimmer. In seinem dunkelblauen Anzug und dem weißen Hemd machte er eine fantastische Figur: ganz Autoritätsperson. Eines Tages würde er in die Fußstapfen seines Vaters treten, und Beppe beruhigte sehr, dass er offensichtlich der Richtige für den Job war.
    Der Himmel war grau verhangen. Es sah nach Regen aus. Drinnen aber brannten die Lichter hell und es herrschte rege Betriebsamkeit. Beppes Angestellte waren sich seiner hohen Erwartungen wohl bewusst und achteten darauf, auf ihren Posten zu sein, wenn er ankam. Zu viele waren schon ohne jede Erklärung entlassen worden, als dass irgendeiner wagte, seine Arbeit auf die leichte Schulter zu nehmen. Beppe marschierte durch das Großraumbüro, wo in den Würfeln Köpfe über Schreibmaschinen gebeugt waren, Telefone schrillten, Zigaretten qualmten und jeder sich anstrengte, geschäftig zu wirken. Er grinste vor sich hin. Die Angst der Leute war gut, denn sie steigerte ihre Produktivität.
    Dante ging in sein Büro und überließ seinen Vater der adretten und treuen Sekretärin, Signora Mancini. Sie begrüßte Beppe mit schwarzem Kaffee, ein höfliches Lächeln auf den rot geschminkten Lippen, und folgte ihm mit seiner Post in sein Büro. Beppe Bonfantis Kommandozentrale war ebenso opulent ausgestattet wie sein Salon zu Hause: eine Hausbar aus Walnussholz, auf der Kristallkaraffen standen, eine elegante Sitzgruppe aus feinster Seide, in deren Mitte sich ein mit Hochglanzbänden beladener Couchtisch befand, und jede Menge Gemälde internationaler Künstler an den Wänden. Beppes riesiger antiker Schreibtisch unterstrich seine Wichtigkeit angemessen, und durch das Panoramafenster hinter ihm blickte man auf einen künstlichen Teich mitsamt Schwänen und Gänsen.
    »Ihr Neun-Uhr-Termin wartet im Konferenzraum«, sagte Signora Mancini und legte die Post auf seinen Tisch. »Signor Pascale rief eben an, dass er ein bisschen später kommt.«
    »Pascale kommt immer spät«, grummelte Beppe, während er seinen Lodenmantel auszog und den Hut abnahm. Signora Mancini hängte beides an den Garderobenständer neben der Tür, wie sie es jeden Morgen tat, bevor sie auf seine Anweisungen wartete, ähnlich einem wohlerzogenen Labrador. Beppes Blick fiel auf den Stapel Briefe, und er runzelte die Stirn. Ganz oben lag ein handgeschriebenes Kuvert mit den Worten »Streng vertraulich« über seiner Anschrift. »Wir fangen ohne ihn an«, sagte er, griff nach dem Umschlag und öffnete ihn. »Wahrscheinlich hat er verschlafen. Der Mann sollte mal in einen anständigen Wecker investieren.«
    Signora Mancini beobachtete, wie ihr Boss ein kleines weißes Blatt aus dem Briefumschlag zog. Beim Überfliegen des Geschriebenen verfinsterte sich seine Miene. Dann holte er tief Luft und blähte die Nüstern. Signora Mancini fröstelte, weil die Atmosphäre im Büro spürbar eisig wurde.
    »Schicken Sie mir Zazzetta«, sagte er leise, ohne von dem Brief aufzusehen. Signora Mancini eilte mit klopfendem Herzen hinaus. Wenn Beppe Bonfanti wütend war, verlor er nicht wie andere die Fassung, sondern wurde eiskalt und

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