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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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hatte also einen gut aussehenden Ausländer gebraucht, damit sie mit ihm hinausfuhr, aber das machte nichts. Ihn freute allein die Tatsache, dass sie hier war, das Schönste an Devon genoss und es mit ihrem Vater teilte.
    Clementine spürte, dass Grey sie ansah, und drehte sich zu ihm um. Als sich ihre Blicke begegneten, lächelte er. Es war nicht sein übliches Lächeln, sondern ein wehmütiges, gemischt mit Stolz. Sie grinste, war allerdings etwas überrascht von seiner Zuneigung. Dann wandte sie den Blick wieder ihrer Schnur zu, an der sich etwas bewegte. Dabei dachte sie nicht mehr an den Krebs, den sie fing, sondern an das sanfte Gesicht ihres Vaters. Sie erinnerte sich nicht, wann er sie je so angesehen hatte.
    Als ihre Eimer voll waren, tranken sie zur Feier Wein und aßen Lachs-Sandwiches. »Und, wer hat gewonnen?«, fragte Clementine, die ihren Eimer hochhielt.
    »Du«, antwortete Rafa.
    »Bist du sicher?«
    »Warum lassen Sie sie so einfach gewinnen?«, fragte Pat, die genüsslich ihr Sandwich kaute.
    »Weil ich ein Gentleman bin.«
    »Dann willst du dir nicht unaufgefordert deinen Preis nehmen?« Clementine war ein wenig enttäuscht.
    »Weil ich ein Gentleman bin«, wiederholte er mit einem Grinsen, bei dem sich ihr Bauch komisch benahm.
    »Und welchen Preis kriege ich?«
    »Bewunderung.« Er legte einen Arm um ihre Taille, zog sie an sich und küsste sie auf die Wange. Pat grölte vor Lachen, während Veronica fasziniert zuschaute, wie eine junge Liebe erblühte.
    Grey erhob sein Glas. »Auf einen wundervollen Abend mit Freunden«, sagte er. »Aber jetzt müssen wir zurück. Es wird bald dunkel.«
    Rafa stand wieder mit am Ruder, doch das störte Clementine nicht. Veronica und Pat waren zum Brüllen, und sie drei lachten den ganzen Weg zurück zum Hafen.
    »Ach du liebe Güte, ich fürchte, ich bin ein bisschen beschwipst«, sagte Veronica, als sie sich von Rafa auf den Steg helfen ließ.
    »Das ist gut für dich, Veronica«, erklärte Pat. »Was meinst du wohl, wieso die Franzosen alle so alt werden? Nur wegen dem vielen Wein, den sie trinken.«
    »Ich habe das Gefühl, der Boden schaukelt, du nicht?« Veronica hielt sich an Rafas Arm fest.
    »Erlauben Sie mir, Sie zum Wagen zu geleiten«, schlug er vor und nahm sie bei der Hand.
    »Sie sind ein sehr liebenswürdiger Mann.«
    »Vielen Dank.«
    »Die wenigsten jungen Leute wären so rücksichtsvoll. Wissen Sie, wenn man jung ist, kann man sich nicht vorstellen, dass man jemals alt sein wird. Und dann überfällt es einen aus heiterem Himmel, und auf einmal gehört man zu den Alten, die man nie leiden konnte.«
    »Ich kann alte Menschen sehr wohl leiden«, erwiderte er, während er sie langsam über den Steg führte. »Ja, ich mag alte Leute. Sie haben so viel erlebt, die unterschiedlichsten Erfahrungen gesammelt und stecken voller Weisheit.«
    »Sie wirken älter als Sie sind, Rafa.«
    »Weiß ich. Ich bin ein alter Mann, der in einem jungen Körper steckt. Eines Tages holt der Körper den Verstand ein, und dann fühle ich mich vollständig.«
    »Fühlen Sie sich denn jetzt unvollständig?«
    »Eigentlich eher orientierungslos«, gestand er.
    »Das hat nichts damit zu tun, dass Sie zu alt für Ihren Körper sind. Was, glauben Sie, ist der Grund dafür?«
    »Ich habe keine Wurzeln, Mrs Leppley.«
    »Bitte, nennen Sie mich Veronica. Wir sind alle ohne Wurzeln, Rafa, bis wir eine verwandte Seele finden. Kann es sein, dass Sie Ihre noch nicht gefunden haben?«
    »Nein, ich suche noch.«
    Sie lächelte sanft. »Sie werden sie finden, und dann rückt sich das Bild Ihrer Welt zurecht, und Sie fühlen sich nicht mehr orientierungslos.«
    »Gewiss haben Sie recht.«
    »Ich bin eine alte Frau, die schon eine Menge gesehen hat.«
    »Haben Sie Ihre verwandte Seele gefunden?«
    »Ja. Mein Mann verliebte sich in mich, als er mich tanzen sah.«
    »Ich wette, Sie waren eine wunderschöne Tänzerin.«
    »Na ja, ich war keine Margot Fonteyn, aber ich war gut. Das ist das Traurige am Altwerden, dass man einsehen muss, viele Dinge nicht mehr tun zu können. Aber ich liebe meinen Mann, und ich habe viele Enkelkinder. Sie sind es, was mir heute kostbar ist, nicht meine Ballettschuhe.«
    »Die Familie ist alles«, bestätigte er.
    »Oh ja, ist sie.« Sie seufzte. »Ich bin wahrlich gesegnet.«
    Bester Stimmung kehrten sie zum Polzanze zurück. Auf der Rückfahrt rezitierte Pat Limericks. Es war beinahe dunkel. Lichter funkelten in den Fenstern der Häuser, an denen sie

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