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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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befanden sich noch einige Schuss Munition, und an seinem Koppel hing eine Tasche mit zwei gefüllten Magazinen. Offenbar hatte Nautung nur wenig Gelegenheit gehabt zu schießen. Muchathien brachte die Waffe beiseite. Es war gut, sie für alle Fälle aufzubewahren. Dann erkundigte er sich: „Was machen wir mit ihm?"
    „Eingraben", entschied Sinhkat. „Bevor er die Geier lockt."
    Am Abend vervollständigten ein paar Männer das Modell im Dorf. Mit nahezu kindlicher Freude markierten sie das neue Rübenfeld und den fertig gestellten Kanal. Eine der alten Frauen, die die Kinder gewöhnlich mit Geschichten unterhielt, hatte einen Namen für das geprägt, was das Dorf tat. Sie erzählte eine Legende, in der ein weißer Vogel eine Rolle spielte, dem man wundertätige Eigenschaften zuschrieb. Tauchte er über einem Dorf auf, über dem bislang nur graue Vögel geflogen waren, standen glückliche Zeiten bevor, gute Ernten und reichlich Regen. Erst als die Kinder davon sprachen, dass über Muong Nam der weiße Vogel aufgetaucht sei, wurden die Erwachsenen aufmerksam.
    Sinhkat lächelte, aber dann sagte er zu den Männern, die bei ihm an dem Modell standen: „So unrecht haben die Kinder gar nicht! Wir haben in der Tat den weißen Vogel über uns, nachdem wir so lange Zeit nur die grauen Vögel des Mister Air America kannten. Er hat sich sogar schon niedergelassen. Hier!" Er wies auf die Miniaturlandschaft, an der jeder Dorfbewohner auf einen Blick erkennen konnte, was sie bereits geschafft hatten und was noch zu tun blieb. „Das ist er, der weiße Vogel. Wir selbst haben ihn hierher geholt!"
    Satchanasai kam; sie war ungeduldig, denn sie war mit einer Gruppe Frauen den ganzen Tag unterwegs gewesen, um Wildgemüse zu sammeln. Jetzt wollte sie mit Sinhkat allein sein. Als er ihr die Geschichte von dem weißen Vogel berichten wollte, winkte sie ab: „Ich kenne sie. Nun komm und iss dein Gemüse, wir müssen morgen wieder früh auf die Felder."
    Sie lebten wie Verheiratete in Bansammus Haus, und niemand fand etwas dabei. Nur hin und wieder machte einer der Männer zu Sinhkat eine Bemerkung, dass die feierliche Hochzeit nicht völlig vergessen werden sollte. Sinhkat, der genau wusste, welch großes gesellschaftliches Ereignis es sein würde, wenn der Dorfvorsteher heiratete, antwortete jedes Mal gelassen: „Wenn wir die ersten Früchte geerntet haben, können wir die Hochzeit ausrichten. Dann haben wir auch eine Pause verdient. Bis dahin müsst ihr euch gedulden."
    Er legte sich zur Nachtruhe auf die Matte neben Satchanasai, nahm sie in die Arme und fragte leise: „Bist du glücklich?"
    „Du?"
    „Ich bin es. Obgleich wir gerade erst angefangen haben."
    Sie streifte den Kattunsarong ab, den sie trug, seitdem sie am Abend aus dem Badehaus gekommen war. Sinhkat streichelte ihre Haut. „Ich weiß nicht einmal, wie du aussiehst ohne Sarong.
    Seitdem wir zusammen leben, haben wir kein Öl mehr für die Lampe."
    Sie lachte nur und schmiegte sich an ihn. Das Dorf war still. Es gab nirgendwo Licht. Die Leute waren müde von der harten Tagesarbeit. Als Sinhkat und Satchanasai einschliefen, lagen bereits die ersten Dunstschwaden zwischen den Hügeln.
    Mister Warren saß zwischen den beiden Fliegern, als die C-47 über die Bergkette donnerte, hinter der Muong Nan lag. Die Piloten kannten das Gelände nur aus den Karten, und Warren beriet sie beim Anflug auf die Piste des Dorfes. Sloane schlief zwischen der Ladung.
    Die Nase der Maschine senkte sich, und Warren forderte den Flugzeugführer auf: „Lassen Sie sie durchsacken, da vorn ist schon die Piste."
    Der Pilot betätigte die Klappen. Das Fahrwerk fuhr aus. Über dem Dorf schimmerte rötliches Frühsonnenlicht. Auf den ersten Blick konnte Warren keine Menschen entdecken. Das war befremdlich, denn um diese Zeit brannten hier sonst die Kochfeuer. Er riet dem Piloten: „Bremsen Sie gleich stark ab, die Piste ist nicht übermäßig lang." Da sah er, dass am Ende der Rollstrecke Erde aufgeworfen war. Er versuchte zu erkennen, was da los sei, während der Pilot sich fluchend mühte, zu verhindern, dass die Maschine auf die umgebrochene Erde rollte, wo sie sich sofort überschlagen hätte. Als er sie einige Meter vor dem aufgewühlten Erdreich zum Stehen brachte, atmete er auf und brummte: „Ein sicherer Landeplatz ist das aber nicht gerade."
    Warren runzelte die Stirn. Die Piste war von einer Einheit Pioniere angelegt worden, als der Handel mit dem Opium begonnen hatte, und sie war

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