Des Drachens grauer Atem
Entgelt, das aber seine Unterbringung deckte und die Studienkosten. Er hatte Erde vorbereitet, gepflanzt, Düngemittel aufgelöst und die Scheiben geputzt - eben bei den vielen kleinen Arbeiten geholfen, die es hier zu tun gab. Man hatte sich so an seine Anwesenheit gewöhnt, dass er später, als er bereits an der Universität studierte, immer wieder einmal daran erinnern musste, dass er nicht mehr der Bursche sei, der in den Gewächshäusern die Nebenarbeiten verrichtete, sondern Student der Agrarwissenschaften. In der mehr als vierjährigen Studienzeit hatte er viele seiner freien Abende auf dem Versuchsgelände zugebracht.
Die Kasetsart-Universität war in den vierziger Jahren entstanden. Sie hatte regen Zuspruch in dem tropischen Land, in dem für eine leistungsfähige Landwirtschaft noch längst nicht alle Möglichkeiten auch nur erkannt worden waren. Thailands Könige hatten sich früher als die Herrscher anderer asiatischer Länder von der Wichtigkeit eines soliden Bildungssystems überzeugen lassen. Zuerst hatten sie Bildungseinrichtungen für die Angehörigen des Hofes geschaffen, aber nach und nach waren immer mehr allgemein zugängliche Bildungsinstitute entstanden, so dass die Zahl der jungen Thailänder, die über ein solides Wissen verfügten, gerade in den letzten Jahren sprunghaft anwuchs. Viele der Absolventen fanden allerdings nach dem Abschluss ihrer Studien keine Arbeitsstelle, in der sie die erworbenen Kenntnisse anwenden konnten. Das hing mit dem Zurückbleiben der Entwicklung des Landes zusammen, seit die Vereinigten Staaten Thailand in wachsendem Ausmaß zum Objekt ihrer wirtschaftlichen Bevormundung gemacht hatten.
Sinhkat würde diese Sorgen nicht haben. Er war der einzige Student, der aus der Bergregion im Nordwesten stammte. Wenn man ihn auch gelegentlich damit aufzog, dass selbst das solide, von der Kasetsart-Universität vermittelte Wissen nicht würde ausreichen können, dass auf Felsen Getreide wuchs, so beneideten ihn doch viele Kommilitonen darum, dass man zu Hause wegen seines Wissens bereits auf ihn wartete. Zudem wusste jeder, der Sinhkat kannte, dass dieser große, zurückhaltende Bursche sehr genaue Vorstellungen davon hatte, was er tun wollte. Er bereitete sich zielstrebig auf eine selbst gestellte Aufgabe vor und verwendete den größten Teil seiner Freizeit auf die Arbeit in der Versuchsstation. Das hieß nicht, dass er sich vom Leben absonderte, nur war er immer beschäftigt, hatte nie Langeweile, und wenn er an Versammlungen teilnahm, was er regelmäßig zu tun pflegte, dann holte er die dadurch versäumte Zeit nach, indem er die Zeit für den Nachtschlaf reduzierte.
Trotzdem wäre hier niemand auf den Gedanken gekommen, ihn als einen Streber zu bezeichnen. Er war hilfsbereit, war den politischen Bestrebungen der Studentenschaft gegenüber aufgeschlossen, und bei den Vorbereitungen für die Demonstrationen war er stets dabei. Man spürte, dass er das alles nicht nur tat, um sich nicht außerhalb der Gemeinschaft zu stellen. Er sah in diesen politischen Bestrebungen so etwas wie eine Ergänzung seiner persönlichen Absichten für die Zukunft. Überdies ging er recht gern an Wochenenden zu Tanzveranstaltungen der Studentenverbände, trank dort sein Bier und schwenkte auch ein paar Mädchen herum, aber er ließ sich mit ihnen zu deren Leidwesen nicht auf intimere Verbindungen ein. Es mochte an seiner Erziehung in einem entlegenen Dorf der Gebirgsregion liegen, dass er sich den in der Großstadt aufgewachsenen Mädchen gegenüber immer ein wenig scheu zeigte. Aber die ihn näher kannten, wussten, dass er so gut wie verlobt war. Es wäre taktlos gewesen, von ihm zu erwarten, dass er sein Versprechen brach. Wilkers betrachtete den jungen Mann interessiert, während der seine Arbeit an einem Pflanzkasten zu Ende führte. Sinhkat hatte ihn erwartet. Noch am Nachmittag war er von Blake informiert worden, dass er Besuch bekommen würde. Jetzt entschuldigte er sich: „Sie müssen nur noch ein wenig Geduld haben, Professor, die Kontrolle der Kästen ist an bestimmte Zeiten gebunden."
„Ja, ja, machen Sie nur", ermunterte Wilkers ihn. „Ich habe genügend Zeit." Er sah, dass die Pflanzen in dem Kasten welk und ungesund aussahen. Sie waren auch recht klein im Vergleich zu den anderen. „Ist das Reis?" erkundigte er sich.
Sinhkat nickte. Er notierte die Temperatur der Erde. Dann maß er die Bodenfeuchtigkeit. Sie entsprach genau der in den Kästen daneben. „Trockenreis", sagte
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