Des Drachens grauer Atem
bemerkte Charuk. „Fahr ein bisschen langsamer, damit wir etwas von der schönen Landschaft haben." Er dachte daran, dass der Professor sicher nicht so schnell fertig werden würde in diesem Gewächshaus.
Wilkers war aufgestanden und ging vor dem Tisch mit den Pflanzenkästen hin und her. Der Student hatte ihm einiges zu denken gegeben. Es stimmte wohl, dass die gegenwärtig landwirtschaftlich genutzten Gebiete Thailands reiche Erträge abwarfen. Nicht ohne Grund bezeichnete man Thailand als die landwirtschaftlich am weitesten entwickelte Region in diesem Teil Asiens. Aber das traf nur auf einen Teil des Landes zu. Neben den Gebieten, in denen bis zu drei Ernten jährlich eingebracht wurden, reiche Reisernten, Weizen oder Gerste, Hirse und Mais, in der Menam-Niederung und auf dem Khorat-Plateau, gab es die Bergregionen im Norden. In den Ebenen baute man außer Reis und anderem Getreide Ölfrüchte und Gemüse in großen Mengen an, fast alle Arten tropischer Früchte gediehen dort ebenso wie Kokospalmen, Zuckerrohr und unzählige Gewürze. In den Bergen wuchs fast nichts davon. Zudem gab es da auch keine hoch entwickelten Handwerke oder andere Beschäftigungszweige, die der Bevölkerung zu einem Einkommen hätten verhelfen können. So nutzte ihnen der Reichtum der Ebenen nichts, sie konnten die dort im Überfluss produzierten Güter nicht erwerben, weil sie nicht in der Lage waren, durch eigene Arbeit Geld zu verdienen. Ihnen blieb nur das Opium. Die Droge, die man seit Jahrhunderten anbaute. Sie allein brachte genügend Geld ein, wenn man sie verkaufte.
„Wenn ich Sie recht verstehe", sagte Wilkers schließlich, „ist für den Opiumanbau in den Bergen nicht einfach die Tatsache ausschlaggebend, dass es unverhältnismäßig höher bezahlt wird als andere Produkte; es ist wohl auch so, dass dort nichts anderes wächst?"
„Im Augenblick jedenfalls", bestätigte Sinhkat. Er merkte, dass Wilkers ihn nicht lediglich ausfragen wollte, um für eine Untersuchung gerüstet zu sein, sondern dass ihn die Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Entwicklung der einzelnen Gebiete in diesem Lande ergaben, zu beschäftigen begannen. Deshalb erklärte er geduldig: „Das ist natürlich nur ein Teil der gesamten Problematik, Professor. Ich habe das mit Absicht etwas vereinfacht dargestellt, damit Sie leichter Zugang finden. Entschuldigen Sie, wenn ich auf Sie wie ein Dozent wirke, der einem Anfänger etwas verständlich machen will."
Wilkers winkte ab. „Da gibt es überhaupt nichts zu entschuldigen. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Sache so erklären, dass ich als Europäer sie verstehen kann. Sprechen Sie bitte über die gesamte Problematik, ich möchte mich gründlich informieren."
Sinhkat griff noch einmal nach der Landkarte und breitete sie aus. „Der Opiumanbau in den Bergen ist vor allem ein soziales Phänomen, Professor, kein agrartechnisches, das will ich Ihnen begreiflich machen. Wo immer auch der Aspekt des Profits in dem Geschäft mit der Droge zum bestimmenden Faktor wird -in den Bergen spielt er diese Rolle nicht. Jedenfalls nicht für die Leute, die den Mohn anbauen, Nein, das ist anders!"
„Und wie ist es wirklich?"
„Kompliziert. Weil noch eine Reihe von Faktoren hinzukommen. Nehmen Sie einmal an, Professor, man könnte erreichen, dass ganze Dörfer in den Bergen statt Mohn irgendwelche Lebensmittel anbauen, Reis, Maniok, was Sie wollen. Was würde geschehen?"
„Sie könnten sich satt essen, ohne Lebensmittel aus der Ebene zu kaufen", antwortete Wilkers prompt.
„Das könnten sie wohl." Sinhkat sah ihn an. „Aber dabei bliebe es. Sie wissen aber, zum Leben braucht man auch noch andere Dinge. Kleidung, Medizin, Salz, Lampenöl."
„Man könnte die Überschüsse an selbst angebauten Nahrungsmitteln, die in den Dörfern zusammenkommen, in der Ebene verkaufen und den Bedarf an anderen Artikeln aus dem Erlös decken, nicht wahr?"
„Nein", erwiderte Sinhkat. „Das kann man eben nicht. Hier wird die ganze Sache nämlich zur ökonomischen Rechenaufgabe: Um zwei Zentner Reis aus dem Gebirge in die Ebene zu schaffen, braucht man ein Packtier und einen Treiber. Soll der nicht zu Fuß gehen, braucht er ein zweites Tier. Von meinem Heimatdorf bis in die Ebene, dorthin, wo es einen Markt gibt, braucht man eine Woche. Während dieser Zeit muss man essen, die Tiere brauchen Futter. Straßen gibt es nicht, es handelt sich also um einen halsbrecherischen Transport. Je mehr man transportiert, desto
Weitere Kostenlose Bücher