Des Drachens grauer Atem
Unzufriedenheit hatte sich aufgestaut. Ältere Leute neigten dazu, sich damit abzufinden, die jüngeren aber hatten begonnen, gegen diese Zustände zu konspirieren. Denn solange die Polizei jeden, der Demokratie forderte, für einen Kommunisten erklärte und einsperrte, konnte man seine Meinung nicht offen sagen. Jedenfalls nicht als einzelner. In absehbarer Zeit würde man sie gemeinsam sagen, zu Tausenden oder auch zu Hunderttausenden. Dann würde die Polizei nicht mehr einzelne verfolgen können. Vielleicht gab es ihr zu denken.
Der Liftboy trat nahe an Charuk heran und flüsterte: „Ich habe gehört, nächste Woche soll etwas geschehen. Vielleicht erst übernächste Woche, aber es ist so gut wie sicher."
Charuk nickte. Es konnte sie zwar niemand belauschen, dennoch antwortete er ebenso leise: „Ich weiß. Gut, dass es endlich soweit ist!" Er verabschiedete sich. Der Angestellte am Empfang erwiderte höflich seinen Gruß. „Guten Tag, Herr Charuk."
Charuk schaute zu dem Wagen Sloanes. Dort hatte sich nichts verändert. Er schlenderte am Rande des Parkplatzes entlang zu Somchai, der noch immer an dem Roller herumbastelte. Wie er es nur anstellte, dass er dabei nie schmutzige Finger bekam!
„Raja Vithi Road", sagte Wilkers zum Fahrer des Taxis, als er unmittelbar nach Einbruch der Dunkelheit in das Gefährt stieg, das vor dem Hotel auf ihn wartete. Der Fahrer überlegte kurz, ehe er die Summe nannte, die er verlangte. Wilkers hielt den Betrag zwar für reichlich, aber nicht für zu hoch, und war einverstanden.
„Können Sie dort eine halbe Stunde auf mich warten?" erkundigte er sich, noch bevor der Fahrer den Wagen anrollen ließ.
„Natürlich, Sir, ich kann warten." Er dachte an den guten Fahrpreis, den er ausgehandelt hatte, und fügte hinzu: „Ich berechne nichts für das Warten, Sir, wenn es nicht länger als eine Stunde dauert."
„Es wird nicht länger dauern. Danke." Dann überließ er sich den Eindrücken der Fahrt durch die abendliche Stadt mit ihren unzähligen Autos und Motorrädern, mit den hell erleuchteten breiten Prachtstraßen, den neongeschmückten Fassaden der Geschäftshäuser.
Nach und nach wurden die Straßenbeleuchtungen spärlicher. Außerhalb des Stadtzentrums ließ auch die Dichte des Verkehrs nach. Der Taxifahrer lenkte sein Fahrzeug schließlich in eine Allee, in der es zwar Laternen gab, deren Lichtschein aber durch das dichte Laub der Bäume fast völlig verschluckt wurde.
„Welche Nummer, Sir?"
Wilkers erklärte: „Wo die Kasetsart-Universität ihre Versuchshäuser hat."
Der Fahrer wusste Bescheid. Er bremste dort den Wagen und fuhr an die Bordsteinkante. Wie es schien, handelte es sich bei den weit von der Straße entfernt im Grün der Gärten gelegenen Häusern nicht um Wohnquartiere. Der Taxifahrer zeigte auf ein kleines Hinweisschild, das an der Einmündung eines schmalen Fußweges angebracht war: „Kasetsart-University, Greenhouses".
Wilkers bedankte sich und stieg aus. Er ging den Fußweg entlang, nach wenigen Dutzend Metern stieß er auf ein Gelände, das mit Treibhäusern bedeckt war. Es war umzäunt, aber das Tor stand offen. Ein schläfriger Pförtner, der in einem Holzhäuschen döste, beschrieb Wilkers den Weg zu einem der Treibhäuser. „Dort arbeitet Herr Sinhkat im Augenblick, Sie können ihn nicht verfehlen, Sir."
Wäre Wilkers an der Einbiegung des Fußweges nur eine halbe Minute stehen geblieben, hätte er sehen können, wie ein Auto mit abgeblendeten Scheinwerfern die Allee entlangfuhr und etwa hundert Meter von dem parkenden Taxi entfernt stehen blieb. Der Fahrer, es war Sloane, stellte den Motor ab und löschte die Scheinwerfer. Er beobachtete das Taxi, denn er vermutete, dass es auf Wilkers warten würde. Den schmalen Fußweg kannte Sloane. Der führte zu den Gewächshäusern der Landwirtschaftsuniversität. Dort also besuchte der Professor jemanden. Nun gut, man würde eine gewisse Zeit verstreichen lassen und sich dann auf dem Gelände mit den Treibhäusern umsehen. Er lehnte sich in den Sitz zurück und brannte sich eine Zigarette an.
Sinhkat war ein breitschultriger, für einen Thai recht kräftig gebauter junger Mann, der etwas älter wirkte, als er tatsächlich war. Mit siebzehn war er nach Bangkok gekommen und hatte zuerst zweieinhalb Jahre Abendschule hinter sich zu bringen gehabt, den vorgeschriebenen Vorkurs für die Universität. Tagsüber hatte er allerdings damals schon in den Treibhäusern gearbeitet, gegen ein geringes
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