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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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zu tun, wäre einfach ein grandioser Irrtum.
    Schon damals hat Wilkers das Gefühl gehabt, dieser Mann wolle ihn ablenken. Jetzt taucht sein Name hier auf, es ist, wie wenn sich die einzelnen Bilder eines Puzzlespiels plötzlich zusammenfügen.
    ..Mister Warren, vom Büro für industrielle Kooperation", sagt Wilkers nun leise, mit dem Blick auf Lo Wen, der bedrückt auf einer Bank neben ihm sitzt und in das trübe Licht des Oellämpchens starrt. „Oder ist es ein anderer Warren?"
    Lo Wen erwiderte matt: „Ich sehe, Sie kennen ihn. Tun Sie diesem Dorf und sich selbst den Gefallen, ihn nicht zu unterrichten. Denken Sie an Bansammu. Wir werden wohl nie erführen, was wirklich mit ihm geschah."
    Er erhob sich und wollte zu seinem Haus gehen, da kam Muchathien aufgeregt angelaufen und rief schon von weitem:
    Mister Wilkers! Ich habe das kleine Radio eingeschaltet, das Sie im Haus hingestellt hatten... Bangkok gibt Nachrichten durch: Es ist eine Revolution ausgebrochen!"
    Sein Geschrei lockte noch mehr Dorfbewohner herbei. Sie ließen die Kochfeuer im Stich, um zu hören, was Muchathien zu verkünden hatte. Wilkers war aufgesprungen. Lo Wen stand verwirrt neben ihm. Und Muchathien wiederholte immer wieder, dass alle es hören konnten: „In Bangkok ist eine Revolution ausgebrochen, Leute. Die Studenten schlagen sich mit der Polizei und mit dem Militär! Die Arbeiter streiken! Und es heißt, Kittikachorn ist geflohen, ins Ausland, und Charusathiem auch!"
    Miss Perkins riß die Meldungen aus den Fernschreibern, legte die Bogen zusammen und öffnete die Tür zu Warrens Büro. Sie tat es sehr leise, denn ihr Chef war in der schlechtesten Stimmung, die man sich denken konnte. Die Ereignisse in der Hauptstadt hatten ihn in einen Zustand versetzt, in dem er zwischen stumpfer Gleichgültigkeit und blitzartig aufbrausender Wut schwankte. Seit dem frühen Morgen saß Warren hinter seinem Schreibtisch und starrte auf die beiden Fernsehschirme an der gegenüberliegenden Wand. Thai Television und der Armeesender brachten ohne Unterbrechung Übertragungen von den Vorgängen in der Stadt: dem Aufstand der Studenten gegen die mit den Vereinigten Staaten verbündete Diktatur der Generäle.
    Die Regierung hatte in den letzten Wochen im Zusammenhang mit politischen Demonstrationen eine Anzahl Studentenführer inhaftiert, ohne jedoch inzwischen Anklage gegen sie zu erheben oder Prozesse vorzubereiten. Das hatte die Erregung an den Universitäten gesteigert. Nun entlud sie sich. Die Straßen waren längst nicht mehr nur mit demonstrierenden Studenten angefüllt; eine große Anzahl junger Leute, Arbeiter und Angestellte, aber auch solche, die keine Beschäftigung fanden, schlössen sich den Demonstranten an. Der König unterstützte die Studenten und ihre Forderungen, bekannte sich allerdings nicht öffentlich dazu, Die Transparente der Demonstranten machten deutlich, dass die Forderungen weit über das hinausgingen, was man ursprünglich angenommen hatte. Die Revolte hatte sich in Windeseile so immens politisiert, dass Warren vor sich hin fluchte, während er immer wieder auf den Bildschirmen die Parolen las. Da wurde die sofortige Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung verlangt und die Wahl eines zivilen Parlaments, das die unkontrollierbare Macht der Militärs brach. Das Wahlalter sollte auf achtzehn Jahre festgesetzt werden. Noch gefährlicher aber schien Warren die immer häufiger auftauchende Forderung nach Abzug der im Lande stationierten ausländischen Truppen, künftig sollte allein das Parlament darüber entscheiden, ob auf dem Boden Thailands fremde Truppen stationiert werden dürften, ebenso wie es zu entscheiden haben sollte, ob thailändische Truppen im Rahmen irgendwelcher militärischer Allianzen in benachbarte Länder zu entsenden waren. Man erwähnte zwar nicht direkt die Amerikaner, aber niemand zweifelte daran, dass sie gemeint waren. Es gab in Thailand keine anderen fremden Truppen außer den amerikanischen.
    Miss Perkins brachte Warren die Fernschreibmeldungen, in denen über die Situation in den amerikanischen Stützpunkten im Lande berichtet wurde. Bisher war es nirgendwo zu Angriffen auf diese Objekte gekommen. Warren nickte nur. Er hatte keinen Blick für Miss Perkins, und diese verschwand ebenso lautlos, wie sie eingetreten war.
    Soeben verkündete der Sprecher von Thai Television, dass General Kittikachorn, der Ministerpräsident, das Land verlassen habe. Über den Verbleib Charusathiems, des Innenministers,

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