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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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der gleichzeitig die Armee befehligte, lagen widersprüchliche Meldungen vor. Es hieß, auch er sei außer Landes, aber es gab Hinweise darauf, dass er noch den Oberbefehl über die Truppen führte, die jetzt gemeinsam mit der Polizei die Demonstranten angriffen.
    Warren war von den Ereignissen so fasziniert, dass er eine Fernschreibmeldung aus dem Regionalhauptquartier der CIA in Udorn ungelesen vor sich auf den Schreibtisch legte. Auf dem Sa-Nam-SonPlatz, um das Denkmal der Demokratie herum, filmte die Kamera Polizisten, die sich hilflos hinter ihre Schutzschilde aus dickem Plexiglas verschanzten. Unmittelbar danach zeigte sie Ketten von Soldaten, die ihre Schnellfeuergewehre durchluden und sie auf die Demonstranten richteten.
    „Die sind verrückt!" rief Warren unwillkürlich. Aber da geschah es. Schüsse peitschten auf. Junge Leute stürzten zu Boden, andere sprangen hinzu, um ihnen zu helfen, und wieder peitschten Schüsse. Kaltschnäuzige Reporter fotografierten die ersten Blutlachen, die sich um die Körper der Getroffenen bildeten. Und der Sprecher verkündete sachlich: „Die Schlacht zwischen dem Volk und der Armee hat begonnen!"
    Warren saß wie erstarrt in seinem Sessel. Seine Zigarre lag erkaltet im Aschenbecher. Mit den Fingern trommelte der Amerikaner nervös auf die Schreibtischplatte. Er sah, wie sich die Demonstranten vor dem Militär in die Seitenstraßen retteten, wie die Soldaten ihre Waffen senkten, eine Pause einlegten. Dann zeigte man wieder die Demonstranten, die sich in den Nebenstraßen erneut sammelten, die ihre Fäuste hoben und mit Hasserfüllten Gesichtern den Soldaten zuschrien, dass sie Mörder seien.
    Das wird eine Weile so weitergehen, dachte Warren. Vermutlich wird es der Armee nach und nach gelingen, die Leute zu zerstreuen. Aber es wird noch mehr Tote geben. Was wird daraus entstehen?
    In der Zentrale hatte man schon vor Wochen die voraussichtlichen Ereignisse einer solchen Revolte an den Computern durchexerziert.
    Danach war klar geworden, dass ihre Niederschlagung allein nicht genügen würde. Es mussten Konzessionen an die aufgewühlten Gefühle der Leute folgen. Warren wusste auch, welche Art von Konzessionen in Aussicht genommen worden waren.
    Aber bereits hier begannen sich die Geister zu scheiden. Einige Experten waren der Meinung, man würde das Land auch vermittels eines Parlaments und bei der Existenz einer Verfassung unbedingt in der Abhängigkeit zu den Vereinigten Staaten halten können. Sie setzten auf den Einfluss des amerikanischen Kapitals in der Industrie und den öffentlichen Einrichtungen. Nach und nach würden Forderungen wie „Abzug aller ausländischen Truppen" in Vergessenheit geraten. Zur Not würde man die Leute mit einer zusätzlichen Geste besänftigen, indem man eines Tages ein Kontingent GIs in die Staaten zurückflog und ein paar Wochen später eine entsprechende Anzahl neuer Truppen einschleuste. Wer würde solche Verschiebungen schon genau kontrollieren können?
    Aber es gab auch Experten, die vor jeglicher Veränderung warnten. Ihrer Meinung nach müsste die Revolte skrupellos niedergeschlagen werden, dabei dürfte man auch nicht davor zurückschrecken, dass es Hunderte von Toten gab. Das würde - so glaubten jene Spezialisten - für längere Zeit die Bereitschaft zu neuen Demonstrationen erheblich lähmen. Schließlich waren die Generäle, die augenblicklich im Auftrage der Vereinigten Staaten die Politik des Landes lenkten, die zuverlässigste Garantie dafür, dass Thailand ein potentieller Verbündeter der USA blieb. Man hatte diese Leute mühsam aufgebaut, hatte sie unterstützt, als sie die Macht an sich rissen, und man ließ ihnen jede Möglichkeit, sich persönlich die Taschen zu füllen. Warum sollte man sie also aufgeben?
    Warren erinnerte sich plötzlich an die Fernschreiben. Er blätterte sie durch, während die Kommentatoren die Meldung wiederholten, dass es bereits keine Regierung mehr gäbe und dass es sich nur noch um Stunden handeln könnte, bis das Militär zurückgezogen würde, da sich auch der Innenminister schon im Ausland befände. Warren stutzte bei der Anweisung aus Udorn, dass sich sämtliche Dienststellen der CIA strikt aus den Vorgängen herauszuhalten hätten, die in diesen Tagen das Bild des Landes prägten. Strikt heraushalten. Ob das zur Lösung des Problems beitrug? Lediglich im Falle von Übergriffen auf Dienststellen der Agentur sollte die Armee Hilfe leisten. Es gab keine Übergriffe.
    Die Liste der

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