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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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zusammen, was dieses Dorf erlebt hatte und wodurch es in seine augenblickliche Lage gekommen war. Wilkers notierte, was Muchathien ihm berichtete und was Satchanasai über das Verschwinden Bansammus wusste. Er fertigte regelrechte Protokolle an und ließ sie von den einzelnen Dorfbewohnern unterzeichnen. Allerdings konnte außer dem Soldaten nur noch Satchanasai ihren Namen schreiben, die anderen malten irgendein Zeichen, und Wilkers vermerkte dahinter, um wen es sich handelte. Nach und nach entstand ein Bild. Wilkers begriff mit jeder Seite besser, wo das eigentliche Problem lag, das diese Leute bedrückte. Es stand in einem seltsamen Missverhältnis zu dem, was Wilkers in dieses Land geführt hatte.
    Alles, was man sich bei jener gut informierten Kommission in New York über das Drogenproblem zusammenreimte, verlor hier an Überzeugungskraft, es verblasste vor einer Realität, die in eine völlig andere Richtung wies. Einerseits Opiumanbau aus Tradition, aber vor allem als fast das einzige Mittel gegen unverschuldete Verelendung. Und andererseits die geschickte Ausnutzung dieses Sachverhalts durch Leute aus den zivilisierten, wohlhabenden Ländern, die eine Chance sahen, Geld zu machen aus einer Armut, die sie nicht bewegte, und aus einem Laster, um das sie sich nicht scherten.
    Blake und Sinhkat hatten von einem Syndikat gesprochen, von der CIA; Muchathien und Satchanasai sprachen von der Air America. Je länger Wilkers darüber nachdachte, desto mehr drängte sich ihm der Gedanke auf, dass hier tatsächlich nicht einige private Großverdiener das Geschäft machten. Er wurde von Tag zu Tag besorgter bei dem Gedanken an die Konsequenzen, die es haben könnte, wenn er seine Entdeckungen an die Öffentlichkeit brachte.
    Da erschien eines Abends kurz vor Sonnenuntergang, als die Kochfeuer brannten und die Männer sich im Badehaus wuschen, Lo Wen im Dorf.
    Der alte Dorfvorsteher war zu Fuß von Fang aus gekommen, bis dorthin hatte ihn ein Lastwagen mitgenommen. So hatte er sich den schwierigsten Teil des Weges leichter gemacht, und als er in Muong Nan eintraf, war er nicht einmal sonderlich müde. Er begrüßte die Leute, die zu seinem Haus gelaufen kamen, und er ließ sich von Satchanasai erzählen, was mit Bansammu geschehen war. Danach saß er still auf dem Baumstamm, der vor seinem Pfahlhaus lag, und dachte nach. Das Mädchen bot ihm zu essen an, aber er lehnte ab, er habe keinen Hunger. Dann teilte sie ihm mit, dass ein Gast im Dorf sei. Lo Wen hob verwundert den Kopf. „Was für ein Gast?"
    „Europäer, ein Professor."
    Lo Wen ging mit ihr zum Haus des ehemaligen Soldaten, wo Wilkers gerade seine Papiere zusammenräumte, über denen er den ganzen Tag gearbeitet hatte. Der Dorfvorsteher begrüßte den Fremden höflich. Er beherrschte die traditionelle Umgangssprache der Händler, das Pidgin-Englisch, so dass er sich mit Wilkers einigermaßen verständigen konnte. Nachdem er gehört hatte, zu welchem Zweck sich der Fremde im Dorf aufhielt, bekam sein Gesicht einen besorgten Ausdruck.
    Wilkers bemerkte das. „Ist Ihnen mein Aufenthalt hier unangenehm?"
    Lo Wen wehrte ab: „Nein, nein." Er überlegte, dann fügte er hinzu: „Es ist nur so, dass es da einige Gefahren gibt, Sir."
    „Das ist mir bekannt." Wilkers lächelte.
    Lo Wen gestand zögernd: „Ich fürchte, dass Sie unser Dorf endgültig ins Verderben stürzen, Sir. Wir sind ohnehin in keiner beneidenswerten Lage..." Er ließ sich auf die Bambusband neben Wilkers nieder und grübelte. Warrens Worte kamen ihm ins Gedächtnis zurück, die unverhüllte Drohung, dass es kein Pardon gäbe, wenn sich in Muong Nan nochmals Unregelmäßigkeiten einstellen sollten. Nun war dieser Fremde da, der sich mit der Erforschung des Opiumanbaus beschäftigte. Wie viel wusste er bereits? Was hatten Muchathien und Satchanasai ihm gesagt?
    Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzusinnen, denn Wilkers fragte: „Sie waren im Gefängnis, wie ich hörte?"
    ja, das war ich", bestätigte Lo Wen abwesend. Welche Katastrophe bahnte sich an?
    „Wegen Verkaufs von Opium?"
    ja."
    „Ich habe es so verstanden, dass Sie im Auftrage des ganzen Dorfes gehandelt haben, war das so?"
    Lo Wen nickte. „Wir bauen gemeinsam an und verkaufen auch gemeinsam. Das ist bei uns Sitte. Der einzelne käme nicht weit, wollte er für sich selbst wirtschaften."
    Das hatte Wilkers bereits begriffen. In diesen Dörfern in den Bergen waren die Dorfgemeinschaften fest gefügt. Man tat sich im Rahmen der

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