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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Siedlungen zusammen, weil auf diese Weise der Stärkere dem Schwächeren helfen konnte. Die Gesetze waren einfach, sie waren nie aufgeschrieben worden. Alles spielte sich hier auf der Basis gegenseitiger Übereinstimmung ab, man palaverte miteinander, bis man zu Entscheidungen kam, die allen recht waren, und man wählte den Klügsten, den mit der meisten Erfahrung, zum Vorsteher des Dorfes.
    „Das heißt, das ganze Dorf hat jetzt den Schaden davon, dass man Ihnen in Chiengmai das Opium abgenommen hat?"
    „So ist es, Sir."
    Wilkers wollte mehr wissen, es interessierte ihn, was Lo Wen in Bangkok erlebt hatte, wer ihn vernommen hatte und wozu er verurteilt worden war. Als er schließlich hörte, dass Lo Wen von einem guten Freund aus dem Polizeigewahrsam befreit worden war, horchte er auf. „Soll das heißen, Sie sind geflohen?"
    „Nicht geflohen." Lo Wen schüttelte den Kopf. „Der Handelspartner unseres Dorfes hat sich bei den Behörden für mich eingesetzt, und daraufhin hat man mich nicht angeklagt."
    „So einfach ist das?"
    Nach einer Pause sagte Lo Wen: „Es ist nicht ganz so einfach, wie Sie vielleicht denken, Sir. Aber der Handelspartner unseres Dorfes ist ein Mann mit viel Einfluss. Er hat mir verziehen, dass ich das Opium illegal verkaufen wollte. Nun will er uns wieder helfen, er will Lebensmittel schicken und andere Sachen. Aber ich musste mich verpflichten, nie wieder Opium an jemand anderen zu verkaufen als nur an ihn."
    „Ach", machte Wilkers. „Das ist interessant. Ein Geschäft also: Ihre Freiheit gegen die Zusicherung des Aufkaufmonopols?"
    „Ja."
    Es war dunkel geworden. Muchathien brachte eine Öllampe. Satchanasai verschwand in ihrem Haus, sie wollte etwas zu essen kochen. Einige Dorfbewohner hockten um Wilkers und Lo Wen herum, sie lauschten auf das Gespräch, obwohl sie kein Wort davon verstanden, manche rauchten in Maisblätter gewickelten Tabak, Frauen hatten Kinder auf dem Schoß und stillten sie.
    „Würden Sie mir verraten, wer Ihr Handelspartner ist?" fragte Wilkers unvermittelt.
    Lo Wen sah ihn an. Was wollte dieser Mann aus Europa wirklich hier? Er schien kein Gauner zu sein, das hatte schon Satchanasai angedeutet; sie hatte auch gesagt, dass er in Bangkok bei Sinhkat gewesen war und der ihm eine Empfehlung mitgegeben hatte, an Bansammu. Vielleicht war es sogar richtig, wenn man diesem Professor aus der fernen Welt der hohen Häuser und der breiten Betonstraßen die Wahrheit sagte? Nur - was würde Mister Warren tun, wenn er davon erfuhr?
    „Sir", sagte Lo Wen, „ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass es lebensgefährlich ist, darüber zu sprechen. Niemand weiß das besser als ich."
    „Ich weiß es auch." Wilkers war entschlossen, nicht nachzugeben. Dieser Lo Wen kannte vielleicht als einziger die tatsächlichen Zusammenhänge. Sprach er, dann hatte man vermutlich die ganze Wahrheit. „Sie müssen mir nicht antworten", meinte er versöhnlich. „Nur wird sich hier nie etwas ändern, wenn die Wahrheit nicht einmal ans Tageslicht gebracht wird. Ihr Dorf wird immer weiter Opium anbauen für jemanden, der dafür mit Waffen bezahlt, und' die Leute hier werden von Jahr zu Jahr ärmer werden. Ich will die Wahrheit nicht hören, um eine Sensation zu erfahren, ich will versuchen zu helfen. Aber Sie selbst müssen dabei mitmachen, allein schaffe ich das nicht."
    „Sie wollen uns helfen?"
    „Ich versuche es."
    „Was können Sie gegen einen Mann ausrichten, der die amerikanische Armee hinter sich hat. Er brauchte bei dem Polizeichef von Bangkok nur anzurufen, um mich aus dem Gefängnis zu befreien! Was wollen Sie gegen einen Mann ausrichten, dem selbst die Minister in Bangkok gehorchen, Sir?"
    „Das muss ein mächtiger Mann sein", gab Wilkers zu. „Aber auch der Mächtige kann bezwungen werden."
    Lo Wen lachte auf. „Sie wollen Mister Warren bezwingen?"
    „Wen?" fragte Wilkers verdutzt.
    „Mister Warren", wiederholte Lo Wen. „Der Name wird Ihnen kaum etwas sagen. Nur - ich muss Sie warnen: Legen Sie sich nicht mit ihm an. Ich habe es getan, und ich weiß, wie weit man dabei kommt!"
    Wilkers schwieg betroffen. Mister Warren. Zuerst glaubte er, es könnte sich um eine bloße Namensidentität handeln, aber dann fiel ihm ein, was jener Mister Warren in Bangkok versucht hatte, ihm weiszumachen. In den Bergen im Nordwesten Thailands gäbe es überhaupt kein Opiumproblem, dies alles spielte sich in Burma ab, und die Annahme, Thailand hätte etwas mit dem Schmuggel von Rohopium

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