Des Kaisers Gespielin (German Edition)
sie immer schwieriger wurde, die Gunst des Kaisers zu halten, so hatte sie beschlossen, mich als ihre Nachfolgerin zu unterweisen. Sie selbst hatte genügend Geschenke und Aufmerksamkeiten Seiner Hoheit erhalten, um sich sorglos in ihrem alten Elternhaus ein neues Leben aufzubauen. Und sie wusste, der Kaiser würde sie um ihrer gemeinsam verbrachten Zeit willen auf Wunsch ziehen lassen. Und so hat sie mir vor ihrer Abreise alles erzählt, was sie in all den Jahren über ihn gelernt hatte. Was er mag und was nicht, wie ich mich bewegen musste, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Einiges mehr habe ich dann später aus eigener Erfahrung dazugelernt, aber Dina habe ich eigentlich meinen Platz hier zu verdanken... Doch meine neue Position schreckte die anderen Mädchen noch mehr ab, niemand war mehr entspannt in meiner Anwesenheit, zu groß schien meine Macht ihnen zu sein.“
Sie hielt kurz inne.
„Es gibt hier keine Macht neben dem Kaiser, Lila. Alles was ich tue, tue ich für mich und meine Zukunft. Ich habe Gold und Privilegien, aber keine Macht. Verstehst du das?“
Hatte sie Angst, sie würde meine Freundschaft verlieren, wenn sie das zugab? Fast schien es so.
Ich nickte verständnisvoll und fragte vorsichtig: „Wie ist er so?“
Ravenna dachte kurz nach. Die Anspannung in ihren Schultern war verschwunden.
„Er ist kein schlechter Mann, Lila. Niemand vor dem man Angst haben muss, wenn man ein reines Herz hat, falls dir das Sorge bereitet... Er ist belesen und gebildet, ein starker Mann mit einem eisernen Willen. Er kann furchtbar streng sein, aber auch sanft, wie eine Feder und gütig, wie ein Vater. Er ist aus eigener Kraft an den Thron gelangt und das merkt man ihm auch an. Nur ein starker Geist kann ein Reich erobern und dann auch halten. Er ist ein umsichtiger Diplomat, aber wehe dem, der sich ihm in den Weg stellt, denn seine Rache kann grausam sein. Er spricht nicht viel, aber er weiß, was er will. Er mag keine Schwätzer und keine Frauen, die sich aufführen wie gackernde Hühner. Deswegen nimmt er auch einige der anderen Mädchen nicht zu sich ins Bett... auch wenn sie ihn durchaus reizen würden. Er schätzt Hingabe und Verschwiegenheit, Sinnlichkeit und Ästhetik. Er hat gewisse Vorlieben, aber er möchte nicht darum bitten müssen. Er liebt den weiblichen Körper sehr und er versteht es angenehme Gefühle zu bereiten, wenn man sich ihm nur ohne Angst und Scham darbietet.“
Wir beide schwiegen einvernehmlich und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Ich konnte spüren, wie sehr sie ihm zugetan war und dass es ihr angenehm war unter seinem Schutz zu stehen. Ich fragte mich, ob diese Gefühle ihm als Freund oder als Mann galten.
„Fertig!“, stellte die dunkle Stimme hinter mir fest und wir beide erhoben uns und schüttelten unsere ermüdeten Glieder. Ich lächelte ihr schüchtern, aber aufmunternd zu und sie lächelte in gleicher Weise zurück. In diesem Augenblick spürte ich eine warme und innige Vertrautheit zwischen uns, die vorher noch nicht gewesen war. In diesen wenigen Stunden hier im Garten waren aus zwei Fremden Freunde geworden.
„Kannst du ein Geheimnis für dich bewahren?“
Ravennas Augen blitzten als sie unruhig von einem Bein aufs andere trat. Ich nickte. Für sie? Jedes!
„Ein richtiges Geheimnis, meine ich. Eines, das außer mir niemand kennt...“
Ich nickte wieder. Die Inbrunst mit der sie sprach, ließ mein Herz schneller schlagen. Ein Geheimnis! Nur zwischen uns.
„Komm!“, sagte sie und nahm mich bei der Hand. Unruhig stolperte ich ihr hinterher. Was wollte sie mir nur zeigen?
In der hintersten Ecke des Gartens blieb sie vor einer massiven Hecke stehen. Ich sah sie unschlüssig an. Und nun?
„Du schwörst es? Kein Wort und sollte es dich das Leben kosten?“
Der Ton ihrer Stimme sagte mir, dass sie scherzte. Trotzdem schmeckte es in meinem Mund plötzlich sauer.
Ravenna spuckte in ihre Hand und hielt sie mir hin.
„Ich schwöre!“, antwortete ich mit feierlichem Ernst und schlug ein.
Spitzbübisch zwinkerte sie mir zu und tauchte dann zwischen den dichten Zweigen ab. Ich hörte sie atmen. Ravenna konnte nicht weiter als zwei Schritte gegangen sein und doch hatte sie das dunkle Grün verschluckt, als wäre sie nie hier gewesen.
„Komm!“, rief sie wieder und schließlich tat ich es ihr nach und zwängte mich beherzt zwischen die Äste, die meine Haut wenig zärtlich zerkratzten.
Verwundert schaute ich mich um. Im dämmernden Zwielicht erkannte ich,
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