Des Kaisers Gespielin
der falschen Angel gebissen hatte, schien er das kaum zu bemerken. Ein Mann! Und was für einer! Sein runder Körper steckte in einem glänzenden bunten Umhang, seine Haare sahen unnatürlich geschwärzt aus und waren zu einer komplizierten Hochsteckfrisur aufgetürmt. Über und über war er mit Schmuck behängt, so offensichtlich wertvoll und glänzend, dass es mir schwindelig wurde. Neben seiner Nase klebte ein Schönheitsfleck in der Form eines glänzenden Regentropfens, an dem er wiederholt rieb, als wolle er sichergehen, dass sein Schmuckstück nicht abgefallen war. Sein Gesicht strahlte mit der Sonne um die Wette, als er mich anschaute und ich fühlte mich sofort zu diesem außergewöhnlichen Menschen hingezogen. Mein unhöfliches Starren bedachte er nach wie vor mit keinem Wort. Statt dessen plapperte er drauf los, was er alles mit mir vorhatte und mir fiel fast augenblicklich seine ungewöhnlich hohe Stimme auf. Sie war nicht unangenehm und doch schien sie mir sehr schlecht zu der pompösen Erscheinung zu passen. Aber ich konnte Estellas Worten einfach nicht folgen, zu seltsam kam mir sein Auftreten vor, zu viele Fragen brauten sich hinter meiner Stirn zusammen. Ein Mann, hier?
Also ließ ich mich nur wortlos und völlig perplex von Estella an der Hand nehmen und durch den Saal führen, wo er mir dies und das zeigte und zu erklären versuchte. Nachdem der erste Schreck überwunden war, entspannte ich mich. Gelegentlich muss ich bei seinen Ausrufen der Freude über mein Haar sogar kichern.
Dieser Mensch war so anders, als jeder sonst, den ich jemals kennengelernt hatte. Ich musste auf unangenehme Weise an mein kühles und verhaltenes Elternhaus denken, als der herzliche und fröhliche Mann namens Estella neben mir meine glänzenden Augen und mein aristokratisches Kinn lobte und über die Fülle und Beschaffenheit meines überlangen Haares geradezu in Verzückung verfiel. So viel Zuspruch war ich nicht gewöhnt und meine weibliche Eitelkeit sonnte sich geradezu in seinen Worten. Schön, wenn ich wenigstens jemandem gefalle, dachte ich und sah den kritischen Blick der schwarzen Dame noch allzu deutlich vor mir.
„So Schätzchen, raus aus den Kleidern und dann sehen wir mal, was Estella für dich tun kann.“
Das Ausziehen wurde mir hier langsam zur Gewohnheit, resümierte ich amüsiert, während ich mich aus dem geblümten Kleid schälte. Überraschenderweise machte mir meine Nacktheit vor Estella nicht allzu viel aus, zu stark war das Gefühl von Wohlwollen ihm gegenüber. Und wenn sich einer nur für den ästhetischen Aspekt meines Körpers interessierte, dann war das wohl er. Das spürte ich sofort.
Estella betrachtete mich genauestens und schüttelte theatralisch den Kopf, als hätte ich ihn persönlich beleidigt: „Ach du meine Güte, behaart wie ein Äffchen. Nein so geht das nicht, das muss alles ab. Ab in die Wanne mit dir und dann macht sich Estella an die Arbeit.“
Ich schluckte einen kleinen Ärger hinunter und kam seiner Aufforderung mit einem wie ich fand bitterbösen Blick nach. Aber Estella hatte ihn entweder nicht gesehen oder mein Gesicht zeigte nicht den vorwurfsvollen Ausdruck, den ich eigentlich angestrebt hatte. Ich würde wohl in nächster Zeit Gesichtsübungen vor dem Frisierspiegel machen müssen.
Langsam ließ ich mich in das wohlig warme Wasser gleiten und atmete tief die süßen Düfte ein, die der Wanne entstiegen. Blumig riecht es und ein wenig würzig, als hätte man dem Wasser etwas Scharfes beigefügt. Kampfer vielleicht? Es war ein wunderbares Gefühl hier drinnen zu liegen und ich entspannte mich fast augenblicklich, spürte den Schmutz und die Anspannung der letzten Tage von mir abfallen wie ein unangenehmer Mantel.
Allerdings währte die Freude nicht lange. Schon kurze Zeit später erschien wie aus dem Nichts eine von Estellas Helferinnen, half mir aus der Wanne, hüllte mich in ein wunderbar weiches Tuch und führte mich zu einer Liege im hinteren Bereich des Saales.
Dort warteten schon Estella und zwei weitere ältere Frauen, neben ihnen ein großer Topf offensichtlich heißen Wassers. In dem großen Topf hing an einem Haken ein kleinerer Topf mit einer dickflüssigen bräunlichen Paste, die ich argwöhnisch beäugte.
„Komm Mädchen! Komm, ab auf die Liege mit dir, jetzt geht es dem Fell an den Kragen.“
Estella patschte wieder ungeduldig in seine Hände, aber ich konnte das vergnügte Zwinkern in seinen Augen deutlich erkennen, das mir zeigte, dass ich
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