Des Kaisers Gespielin
Aufregung. So aufgebracht hatte ich sie noch nie gesehen. Ich machte mich so klein wie möglich, um dem tosenden Sturm ihrer Entrüstung zu entgehen. Aber vergebens. Ihr Gesicht war gerötet und hart und ihre dunklen Augen glitzerten gefährlich.
„Bitte Ravenna!“, flehte ich sie an. „Mach es doch nicht noch schwerer für mich.“
Sie tobte und schrie wie von Sinnen, seit ich ihr von meinem Entschluss erzählt hatte, aber immer noch glaubte ich daran, sie zur Vernunft bringen zu können.
„Lass es unser geteiltes Schicksal sein, lass uns einen Mann teilen, wie es nur die besten Freundinnen könnten...“
Ravenna warf in ihrer Rage eine Vase zu Boden, die klirrend auf den harten Steinen zerbrach. Ich zuckte bei dem Geräusch zusammen.
„Auf gar keinen Fall, Lila. Bist du so naiv und leichtgläubig? Denkst du, es ist leicht seine Liebhaberin zu sein? Ich kann mit dir teilen, was er mir gibt, das sollte genügen. Meine Besitztümer sollen deine sein. Aber in sein Bett lasse ich dich nicht.“
Wieder und wieder versuchte ich mich zu erklären: „Ich will das nicht, Ravenna. Es ist schwer genug für mich, wenn du bei ihm bist. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass du für mich zu ihm gehst. Es ist meine Familie, mein Problem. Bitte lass mich selbst eine Lösung finden.“
Ravenna sah mich scharf an und ihr Blick wurde lauernd.
Mit gehässiger Stimme stichelte sie: „Du willst beim Kaiser liegen, ist es das? Du willst von ihm gestoßen werden, um zu sehen, ob es dir vielleicht besser gefällt....“
Hilflos und mit Tränen in den Augen schüttelte ich meinen Kopf, aber sie hörte nicht auf und ihre Stimme wurde immer schriller: „Jetzt verstehe ich, wie konnte ich nur so dumm sein... Die ganze Zeit, als du sagtest, du liebst mich.... da hast du dich nach etwas Hartem zwischen deinen Beinen gesehnt.... Warum kann ich dir nicht genug sein, Lila? Warum?“
Völlig aufgelöst kam sie näher und schlug mir hart ins Gesicht. Tränen liefen an ihren Wangen hinab, aber ihr Ton war hart.
„Warum brauchst du mehr als mich, Lila? Warum brauchst du einen Mann, wenn du mich haben kannst, sag es mir!“
Wieder und wieder traf ihre Hand in mein Gesicht und ich war zu entsetzt um mich zu wehren.
„Warum reicht dir meine Liebe, mein Körper nicht?“, rief sie ein letztes Mal aus und mit einem wütenden Aufschrei verließ sie das Zimmer und ließ mich als elendes kleines Häufchen zurück.
Wie im Rausch kroch ich in eine Ecke, kugelte mich zusammen und schluchzte hemmungslos meinen Schmerz hinaus. Der Schock über Ravennas Seelenqualen und ihre unbedachten Anschuldigungen wogen dabei schwerer als mein schmerzendes Gesicht. Was hatte ich nur getan? Hatte ich das verdient? Hatte ich mich ihr gegenüber so schlecht verhalten, dass sie einfach ihre Liebe zu mir vergessen hat? Unverständnis und Ratlosigkeit machten sich in mir breit. Was sollte ich jetzt tun? Würde sie wiederkommen? Ich sah dieser Möglichkeit mit Schrecken und mit Sehnsucht entgegen. Könnte ich es ertragen, wenn sie sich wieder in dieses tobende Biest verwandelte? Sie hatte mir wehtun wollen, mehr als jemals zuvor. Ich musste nicht lange darüber nachdenken. Dieses brutale verletzende Wesen war nicht die Ravenna, die ich liebte. Ob ich sie jemals wiedersehen würde, vermochte ich nicht zu sagen. Wer wusste schon wie tief diese vermeintliche Verletzung sie getroffen hatte, ob sie sich davon erholen konnte. Ganz tief in mir nagte ein Gefühl, das mich verdächtig an Hass erinnerte. Nicht auf Ravenna, aber auf das, was sie in den letzten Minuten unseres Streites geworden war. Jeder ihrer Schläge hatte mich in meiner Seele getroffen und aus einer Liebenden ein ängstliches Mäuschen gemacht. Mein Ärger, meine Wut richteten sich gegen Ravenna, aber auch gegen mich selbst. Sie hätte das nicht tun sollen und ich hätte das nicht zulassen dürfen, brannte es in meinem Kopf. Ich stand auf. Hier konnte ich nicht bleiben. Bis ich mit mir und mit ihr wieder im Reinen war, brauchte ich einen schützenden Ort, an dem ich mich verkriechen konnte. Nur wo sollte ich hin?
Ich sah mich zögernd um. In Ravennas Gemächern konnte ich nicht bleiben und auch Nonas Zimmer bot keinen ausreichenden Schutz, würde Ravenna mich dort doch sofort finden. Was blieb? Lange überlegte ich und immer wieder sah ich nur ein Gesicht, nur einen Ort vor mir. Ich musste nach Hause, ich musste zu Line und sehen, wie die Dinge dort standen. Ich brauchte Ruhe und Frieden und
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