Des Kaisers Gespielin
einmal Pen. Du verstehst das vielleicht nicht, aber ich kann ihm einfach nicht fernbleiben, selbst wenn ich es mir noch so sehr vornehme. Wenn du irgendetwas für uns tun kannst, wenn es in deiner Macht steht, ich bitte dich liebste Lila, hilf mir!
Deine dich liebende Schwester Ermeline
Fassungslos ließ ich den Brief sinken. Bitte nicht, Line, dachte ich flehend, bitte trage kein Kind in dir. Ich wagte mir kaum vorzustellen, was das für sie bedeuten würde. Unantastbar wäre sie dann. Vielleicht müsste sie sogar fortgehen, um den guten Ruf meiner Familie nicht zu beschmutzen. Ich wünschte mir in diesem Augenblick nichts mehr, als zu Hause zu sein, und Line zu schütteln, bis sie ihren Sinn für Verantwortung wiedergefunden hatte. Warum konnte sich das Kind nicht zusammenreißen, dachte ich ärgerlich, warum musste sie so mit ihrer Zukunft spielen? Aber tief in mir drinnen konnte ich es ihr nicht verdenken. War es nicht die gleiche Anziehung, die mich verbotener Weise Ravenna so sehr lieben ließ? Hatte ich jemals an die Konsequenzen gedacht, würden wir entdeckt werden? Wie konnte ich meine kleine unreife Schwester für etwas verurteilen, was ich selbst in meinem reiferen Alter nicht kontrollieren konnte?
Eine tiefe Hoffnungslosigkeit beschlich mich und ich musste mich sehr zusammennehmen, um Henderley wieder in die Augen blicken zu können.
„Schlechte Nachrichten?“, fragte er besorgt angesichts meines blassen Gesichts.
Zögernd nickte ich. Wie viel konnte ich ihm anvertrauen?
„Es ist meine Schwester. Bitte verrate mich nicht, Henni, verrate nicht, dass ich diesen Brief bekommen habe...“, flehte ich ihn inständig an.
Seine Mine verzog sich ein wenig und er klang verletzt: „Kennst du mich denn so schlecht, Lila? Nichts werde ich sagen, nicht heute und auch niemals sonst. Lass das einfach meine Art sein, dich zu lieben, wenn ich doch mehr nicht erhoffen kann... als der Bewahrer deiner Geheimnisse zu sein.“
Ich fiel ihm dankbar um den Hals: „Liebster liebster Henderley, ich danke dir von ganzem Herzen. Glaub mir, ich liebe dich auch... aber eben anders!“
Und in meiner Erleichterung und Dankbarkeit legte ich meinen Mund fest auf seinen und küsste ihn, wie ich sonst nur Ravenna küsste. Ganz still stand er da und ließ sich küssen und ich konnte ein Feuer in seinen Augen lodern sehen, welches ich vorher noch nie gesehen hatte.
„Danke, Henderley!“, rief ich noch einmal aus und drehte mich um.
„Ich habe zu danken!“, tönte es da bitter lachend hinter mir.
Ohne einen weiteren Blick verließ ich den Raum. Im Laufen versuchte ich meine Gedanken zu ordnen, aber Line und Henderley und Ravenna wurden alle eins in meinem Kopf. Auf der Suche nach einem ruhigen Ort, wo ich in Frieden und ungestört nachdenken konnte, ging ich in Ravennas Garten. Dort ließ ich mich unter einem schattigen Baum nieder und begann erneut, meine Gedanken zu ordnen.
Was war jetzt zu tun? Ich konnte Lines Hilferuf nicht unerhört lassen, dessen war ich mir als Schwester und Teil einer Familie sicher. Aber als Ravennas Geliebte erschien mir der einzig mögliche Weg so ungeheuerlich, dass ich gar nicht darüber nachdenken konnte ohne rot zu werden. Stand es in meiner Macht, sie so zu verletzen? Ihr – und mir – die Herrschaft über meinen Körper zu entziehen, um sie einem Anderen, einem Mächtigeren zu schenken? Am Ende kam ich zu dem Entschluss, dass es anders nicht ginge. Ich würde ihn verführen müssen, ihn, dem jede zu Füßen lag. Ich brauchte die Fürsprache des Kaisers, wenn ich meine Schwester verheiraten wollte. Niemand anderes hatte die Macht und den Reichtum, dieses für mich zu erwirken. Da lag sie also greifbar nahe vor mir, die Lösung. Ich, die kleine fast unerfahrene Lila, musste die Geliebte meines Herrschers werden. Und Ravenna würde mir dabei helfen. Anders würde es nicht gehen. Sie musste ihr Wissen und ihre Erfahrung an mich weitergeben, wie sie einst an sie weiter gegeben worden war. Mir grauste es bei dem Gedanken, sie davon überzeugen zu müssen, zu frisch war die Erinnerung an ihre jüngste besitzergreifende Art. Aber was blieb mir anderes übrig? Verzweifelt redete ich mir ein, dass sie mich verstehen würde, weil sie selbst ähnlich gehandelt hatte. Dass sie mir bereitwillig helfen würde und genug Vertrauen in mich hatte, um mich freizugeben. Aber der dunkle Knoten in meiner Brust blieb.
19.
„Nein, nein und nochmals nein!“
Ravennas Stimme überschlug sich vor
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