Des Koenigs Konterbande
geschmuggelt.« Schließlich war Paice hier der Kommandant und er selbst im Grunde nur ein Gast, dem es nicht zukam, den Hausherrn zu spielen.
»Ich muß mich unbedingt darauf verlassen können«, fuhr er fort, »daß kein Wort von unserer Besprechung nach draußen dringt. Wir warten den richtigen Zeitpunkt ab, und dann schlagen wir zu.«
Er hob sein Weinglas. »Ich trinke auf die Gesundheit der Menschen jenseits des Kanals, die schuldlos unter dem Terror leiden, und auf den Erfolg unserer drei Schiffe!«
Queely blickte überrascht auf, aber alle drei leerten ihre Gläser in einem Zug. Es war Rheinwein, in der Bilge gut gekühlt. Und der kleine Matthew hatte in Falmouth unter Mrs. Fergusons strengem Blick oft genug bei Tisch bedient.
Er bewies jetzt, daß er das Gelernte nicht vergessen hatte.
Noch einmal hob Bolitho sein Glas: »Auf Seine Majestät!
Und Verderben allen unsern Feinden!«
In dieser Nacht schlief Bolitho, während
Telemachus
sanft an der Ankerkette schwojte, zum erstenmal tief und traumlos.
Auf einer Kommode neben der viel zu engen Koje lag zusammengefaltet sein alter Uniformrock, und in einer seiner Taschen steckte sorgsam verwahrt die Uhr, Violas Geschenk.
Als Erinnerung daran, daß er nicht einsam war, solange ihr Bild in ihm weiterlebte.
Der Lockvogel
Leutnant Jonas Paice stand mit gespreizten Beinen an Deck und beobachtete, wie sich
Telemachus’
langer Bugspriet jedesmal auf den Kamm einer See hob und dann wie eine Lanze vorwärts schoß. Das sah fast so aus, als trage der Kutter mit den anrollenden Wogen ein ganz persönliches Duell aus. Ein steifer Nordwestwind, der mehr nach Herbst als nach Frühjahr schmeckte, jagte das zerrissene Gewölk rasch über den Himmel.
Bald mußte der Abend hereinbrechen. Paice wechselte das Standbein und geriet dabei kaum ins Wanken, als sein Schiff sich noch mehr nach Lee überlegte; das riesige Großsegel, auch Fock und Klüver standen fast mittschiffs, so hart knüppelten sie gegen Wind und Seegang an. Was für ein großartiger Segler, dachte Paice, und wie zur Bestätigung rief der Rudergast: »Voll und bei, Sir. Nord zu West!« Trotzdem fand der Kommandant diesmal an der beachtlichen Leistung seines Schiffes keine rechte Freude. Denn dies war schon der dritte Tag, an dem sie in einem weiten Dreieck auf den Zufahrtswegen zur nordöstlichen Landzunge der Grafschaft Kent patrouillierten.
Vielleicht hätte er lieber den Mund halten und abwarten sollen, bis Kapitän Bolitho die Schmugglerjagd satt bekam und sich dem bequemeren Leben in irgendeinem Hauptquartier an Land zuwandte – wie Kommodore Hoblyn. Aber Paice war von einem langjährigen, vertrauenswürdigen Informanten zugetragen worden, daß entweder in der vergangenen oder in dieser Nacht irgendwo am Strand bei Deal Konterbande angelandet werden sollte. Als er es Bolitho meldete, hatte ihn dessen prompte Reaktion überrascht. Er hatte
Telemachus
sofort in See gehen lassen, während er selbst ihr auf Queelys
Wakeful
später heimlich folgte. An einem vereinbarten Treffpunkt war er dann wieder auf Paices Schiff übergestiegen.
Nun saß er unten, studierte die Seekarte und verglich seine Notizen mit dem Logbuch des Schiffes: ein Getriebener, der sich das Äußerste abverlangte. Paice hörte den Segelmeister Erasmus Chesshyre den beiden Rudergängern Anweisungen geben und dann mit schlurfenden Schritten zu ihm ans Schanzkleid treten.
Gemeinsam beobachteten sie die graugrünen Seen, die fast bis zur Reling emporstiegen und sich in dünnen weißen Wasserstrahlen durch die verschlossenen Stückpforten preßten, wenn der Kutter noch tiefer wegkrängte.
Chesshyre hatte erst den Rang eines Steuermanns und wurde von einem Maat unterstützt, hatte sich jedoch als Segelmeister längst bewährt. Mit etwas Glück mußte seine Beförderung bald bestätigt werden. Aber falls es zum Krieg kam, würde man ihn sofort von
Telemachus
abziehen und auf eine temperamentvolle Fregatte kommandieren, ihn dort für Seemannschaft und Navigation verantwortlich machen.
Paice runzelte die Stirn. Falls es Bolitho nicht gelang, mehr Deserteure aufzuspüren oder sonstwie tüchtigen Nachwuchs für die Flotte zu rekrutieren, würden die drei Kutter die ersten sein, denen man die Besatzung wegnahm. Das war zwar unfair, aber unvermeidlich. Die Kutter waren fast ein Geschwader für sich, mit Mannschaften aus den Buchten und Dörfern Kents, wo die Fischer resigniert hatten und zur Navy abwanderten: erfahrene Freiwillige, die einander
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