Des Koenigs Konterbande
Informanten und die berechnende Arroganz, mit der ihm Delaval die Leiche vorgeführt hatte. Oder er rechnete Hoblyn jener Sorte Offiziere zu, die schon zu lange auf sicheren Landposten saßen, um die Heimtücke und Raffinesse der Schmuggler richtig einschätzen zu können.
Jedesmal, wenn er allein in seiner Kajüte war, irrten Bolithos Gedanken von ihrem unmittelbaren Vorhaben ab. Dann konnte er nur noch an Alldays Verschwinden denken und wälzte sich unruhig auf seiner Koje, bis er in einen von Alpträumen gequälten Schlaf fiel, der ihm keine Erholung, sondern nur neue Sorgen brachte.
Weder Paice noch Triscott hatten Allday in seiner Gegenwart jemals wieder erwähnt. Entweder scheuten sie sich, sein Mißfallen zu erregen, oder sie hielten Allday mit dem Fatalismus der Seeleute bereits für tot.
Paice kam über das schmale Achterdeck heran und grüßte, während sich sein Blick prüfend zum klaren Abendhimmel hob.
»Später könnte es dunstig werden, Sir.« Er studierte Bolithos Profil, versuchte seine Stimmung zu erraten. »Aber wir werden wohl noch zwei Stunden Kontakt mit
Wakeful
halten können, bevor wir sie anweisen, für die Nacht zu uns aufzuschließen.«
Bolitho blickte zum vibrierenden Mast hoch, wo die beiden Ausguckleute auf der Topprah hockten. Sie hatten den zweiten Kutter noch in Sicht, aber von Deck aus wirkte die See völlig leer.
Zweimal hatten sie sich mit einem Lugger des Zolls getroffen.
Das erste Mal hatte er ihnen eine kurze Nachricht von Kommodore Hoblyn gebracht: die Bestätigung, daß seine Information sich bisher als zutreffend erwies. Beim zweiten Mal hatte der Lugger beunruhigende Neuigkeiten für sie. Anscheinend waren an der Südküste mehrere tollkühne Schmuggelfahrten beobachtet worden, von Penzance in Cornwall bis zur Lyme Bay in Dorset. In einem Fall hatte ein Zollkutter einen Schoner der Schmuggler bis zur Isle of Wight verfolgt, bevor er ihm in einer plötzlichen Regenbö entkommen konnte.
»Der Tanz scheint woanders stattzufinden«, hatte Paice nur bemerkt.
Das war vielleicht eine indirekte Kritik an Bolithos Taktik und der Tatsache, daß ihre beiden Kutter so weit vom Zentrum des Geschehens entfernt operierten. Die Zollbehörde hatte die Vorfälle sehr ernst genommen und jedes verfügbare Schiff auf verdächtige Fahrzeuge gehetzt. Die Navy hatte sogar eine 32-Kanonen-Fregatte aus Plymouth abgestellt, um die Zollkutter zu unterstützen, falls sie ins Gefecht mit einer Übermacht oder auf eine Leeküste geraten sollten.
»Morgen ist der erste Mai, Sir«, murmelte Paice.
Bolitho fuhr herum. »Das ist mir klar«, sagte er scharf.
»Sie können Ihre Leute beruhigen: Es ist zugleich auch der letzte Tag dieser Patrouille.«
Doch Paice hielt seinem Blick stand. »Damit wollte ich nicht mangelndes Vertrauen in Ihre Pläne ausdrücken, Sir«, beharrte er. »Aber bei allem Respekt vor dem Kommodore, den ich für einen tapferen Offizier halte, könnte es doch sein, daß man ihm eine falsche Information zugespielt hat.
Und jeder Mißerfolg würde Ihnen persönlich angelastet.«
Bolitho beobachtete einen Schwarm Fische, der in
Telemachus’
Kielwasser spielte. »Sie befürchten, daß der Kommodore befehlen könnte, unsere Kutter wieder abzuziehen?«
»Der Gedanke ist mir gekommen, jawohl, Sir. Schließlich, warum operieren wir hier und nicht wenigstens in der Straße von Dover? Hier sind wir viel zu weit nordöstlich, um von Nutzen zu sein, und das spricht für eine List.«
»Ist die ganze Besatzung dieser Ansicht?« fragte Bolitho kalt.
Paice hob die Schultern. »Es ist
meine
Ansicht, Sir. Solange ich hier das Kommando habe, frage ich nicht Untergebene nach ihrer Meinung.«
»Freut mich zu hören, Mr. Paice.«
Bolitho wurde allmählich so gereizt wie der Rest der Crew. Schuld daran war der Platzmangel an Bord; niemals war man allein, weder bei Tag noch bei Nacht, nur die Ausguckleute konnten sich oben vorübergehend absondern.
Bolitho wußte, nach diesem Einsatz mußte er an Land ein eigenes Hauptquartier einrichten, ähnlich wie Hoblyn. Aber ohne Allday? Er hieb mit der Faust auf das nasse Metall einer Drehbasse. Wo mochte der Narr jetzt stecken? Wie kam er zurecht? Vielleicht hatte ihn eine Preßgang schon nach Chatham auf ein Schiff geschleppt, wo er mit seinen Erklärungen auf taube Ohren stieß. Was hatte er mit diesem Schritt überhaupt bezwecken wollen? Diese und andere bohrende Fragen hallten in Bolithos Kopf wie Brandung in einer Höhle. Er zwang sich, an
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