Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
gewesen.
    Aber wenn sich der Nebel jetzt lichtete, würde er die Rechnung begleichen. Er lockerte den alten Degen in der Scheide an seiner Hüfte.
    Für manche würde dies der letzte Sonnenaufgang ihres Lebens sein.
    Allday warf sich gegen die gewölbte Bordwand und duckte sich, als abermals ein Musketenschuß durch die offene Luke krachte. Er hörte oben Rufe und das Klappern der Ladestöcke, die neue Kugeln in die Rohre schoben. Trotz der feuchtkalten Luft in seinem Verlies lief ihm der Schweiß in Strömen herunter.
    Er packte das Entermesser fester und spähte durch den Pulverqualm zu dem hellen Rechteck auf. Jetzt war alles nur eine Frage der Zeit. Über die Schulter rief er zum Türchen hin: »Mach weiter so, Kleine. Bald hast du’s geschafft.« Nur einmal hatte er bisher nachsehen können, wie weit das Mädchen mit dem Sägen gekommen war. Bei den dicken harten Hanftauen war es eine mühselige Arbeit. Er hatte ihre helle Gestalt gleichmäßig auf und ab wippen gesehen, so konzentriert, als hätte sie alles andere um sich vergessen.
    Wahrscheinlich begriff sie nicht einmal den Zweck ihrer Anstrengung, dachte Allday verzweifelt, so wie sie auch kein einziges seiner Worte verstanden hatte.
    Wieder schob sich eine Muskete übers Lukensüll. Aber diesmal sprang Allday hoch, packte mit zusammengebissenen Zähnen den heißen Lauf und zog mit aller Kraft daran.
    Das überraschte den Schützen oben so, daß er die Balance verlor und quer über die Luke stürzte. Der Schuß krachte einen Fußbreit neben Alldays Kopf. Noch bevor sich der Schmuggler wieder aufrichten konnte, stieß Allday das Entermesser nach oben. »Einen für den Topf, ihr Hunde!
    « brüllte er dabei.
    Erschöpft sank er danach gegen die Bordwand und schloß die vom Rauch brennenden Augen, damit er nicht das Blut sehen mußte, das wie rote Farbe über das Lukensüll rann.
    Plötzlich verstummte das Geschrei in der Achterkajüte über ihm, und das Knarren des Ruders war wieder das einzige Geräusch. Dann rief eine angstvolle Stimme: »Achtung!
    Klar bei Brassen! Es ist die Marine, Gott sei uns gnädig!« Eine andere Stimme, ruhiger und beherrschter, fiel ein: »Ich wette, das ist Paice mit seiner
Telemachus
!« Sie gehörte Delaval. »Aber diesmal schicken wir ihn zur Hölle, mitsamt seiner lahmen Crew!«
    Welche Antwort Delaval bekam, interessierte Allday nicht mehr. Paice und
Telemachus
waren hier. Und mit ihnen Bolitho!
    Das Deck legte sich so schräg, daß Newbys Leiche über den Boden rutschte, als sei sie für den Kampf wieder zum Leben erwacht. Allday hörte Kommandorufe, das Knattern von Segeltuch und schließlich das vertraute Poltern, als der Neunpfünder wieder ausgefahren wurde.
    Noch einmal spähte er durch die kleine Tür und drängte: »Mach weiter, Kindchen. Ich kann sie aufhalten, bis …«
    Entsetzt bemerkte er den schmalen nackten Körper, der ausgestreckt auf den rauhen Planken lag. Die Kleine rührte sich nicht mehr. Entweder hatte sie der letzte Schuß getroffen, oder jemand auf dem Achterdeck hatte durch die Öffnungen gefeuert, in denen die Rudertaljen liefen.
    Mit beiden Armen griff er durch das Türchen, zerrte die schlaffe Gestalt heraus und drückte sie an sich. Mit einer Hand drehte er ihr Gesicht so, daß die starren Augen im Licht der Laterne funkelten. »Schon gut, meine Kleine«, flüsterte er mit brechender Stimme, »du hast wirklich alles versucht.«
    Plötzlich erbebte die Brigg unter einem starken Rückstoß, und noch während die abgefeuerte Kanone binnenbords ruckte, wurden oben neue Zielvorgaben gebrüllt.
    Allday kroch zu Newby und zog ihm den Rock aus. Darein hüllte er die Tote und schob sie nach einem letzten Blick auf ihr stilles Gesicht durch die Luke in die jetzt menschenleere Achterkajüte hinauf.
    Noch ein oder zwei Minuten, und die Rudertaljen wären gekappt gewesen, dachte er verzweifelt. Dann hätte Paices Kutter eine Chance gegen die Brigg gehabt; er hätte sie ausmanövrieren, ihr Heck kreuzen und sie mit seinen mörderischen Karronaden der Länge nach beharken können.
    Als Allday in der Achterkajüte stand, bockte das Deck erneut, Staub rieselte von der Poop herab. Der Neunpfünder feuerte nach Backbord achteraus.
    Allday warf sich die verhüllte Tote über die Schulter. Bei dem kurzen Blick in ihr Gesicht hatte er gesehen, daß alle Angst daraus verschwunden war. Sie hatte endlich Frieden gefunden, wahrscheinlich zum ersten Mal, seit der Terror der Revolution über ihr Land hereingebrochen

Weitere Kostenlose Bücher