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Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ohne weiteres niederstrecken können. Aber vielleicht hatte er die gleiche Entdeckung wie der Geblendete gemacht: daß Rache keine Lösung war.
    Dann schritt Bolitho zu Allday hinüber, der neben dem toten Mädchen kniete. Schon das zweite Opfer. Frankreich sprang hart mit seinen Schwachen um.
    Als er Alldays Verletzungen sah, drängten sich ihm Worte des Mitgefühls auf die Lippen. Aber er brachte keins heraus.
    Vielleicht konnten sie später darüber sprechen. Jetzt sagte er nur: »Also bist du davongekommen, John?« Allday schielte mit seinem einen Auge zu ihm hoch und hätte gern gegrinst, aber seine Gesichtsmuskeln gehorchten ihm nicht. Das Wichtigste war ihm jedoch nicht entgangen: Bolitho hatte ihn beim Vornamen genannt. Das war bisher noch nie vorgekommen.

Gesichter in der Menge
    Der Golden Fleece Inn am Stadtrand von Dover war ein imposantes, wettergegerbtes Gebäude, eine Poststation zum Wechseln der Pferde und zur Erholung der von den schlechten Straßen gebeutelten Reisenden.
    Konteradmiral Sir Marcus Drew wartete, bis die Knechte sein Reisegepäck im Nachbarzimmer abgestellt hatten, dann trat er an eines der bleigefaßten Butzenfenster, die auf den gepflasterten Hof hinunterblickten. Angewidert starrte er die schwatzhaften Nichtstuer an, die sich in der warmen Sonne räkelten oder Obst und Schnaps von Hausiererinnen mit umgehängten Bauchläden kauften.
    Von hier aus konnte er gerade noch eine Ecke des Hafens sehen und dachte mit Genugtuung daran, daß dort einige kleinere Kriegsschiffe verankert lagen. Auf dem Weg zur Herberge hatte er zu seiner Beruhigung auch Gruppen rotröckiger Seesoldaten und gelegentlich steinern dreinblickende Dragoner gesehen.
    Trotzdem war es ihm hier nicht ganz geheuer. Hätte er nicht den ausdrücklichen Befehl erhalten, säße er jetzt gemütlich in London, vielleicht sogar bei seiner jungen Mätresse.
    Beim Eintreten seines Sekretärs wandte er sich ungehalten vom Fenster ab und putzte seine goldgerahmten Augengläser mit einem feinen Leinentuch.
    »Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Sir Marcus?« Beeindruckt sah sich der Sekretär in dem geräumigen Zimmer um; ihm kam es vor wie ein Palast.
    Drew grunzte verächtlich. »Mir mißfällt dieses Loch – mehr noch: die ganze Chose hier.« Die Reise hatte sein gewohntes Selbstvertrauen erschüttert, er fühlte sich nicht mehr als Herr der Lage. Bisher hatte sein Tagewerk daraus bestanden, willfährige Offiziere für bestimmte Stellen auszusuchen oder den Launen und Hinfallen Ihrer Lordschaften nach besten Kräften zu dienen.
    Und jetzt dieses Dover … Er runzelte die Stirn. Wenn es wenigstens Canterbury gewesen wäre, wo immerhin schwache Ansätze von Gesellschaftsleben existierten. Aber Dover von innen, nicht mit den Augen eines heimwehkranken Seemanns gesehen, war roh, ungehobelt und unberechenbar.
    Ohne die mächtige Festung, die ihre zeitlose Front drohend den einlaufenden Schiffen zuwandte, hätte er sich noch unsicherer gefühlt.
    Der Sekretär räusperte sich. »Kapitän Richard Bolitho ist eingetroffen, Sir Marcus.« Mit schräg geneigtem Kopf fragte er: »Soll ich ihn …«
    »Nein!
Soll warten! Hol mir erst einen Schluck zu trinken.«
    »Cognac, Sir Marcus?«
    Wütend funkelte der Konteradmiral ihn an. »Ich verbitte mir schlechte Scherze, mein Herr! Der Cognac hier ist höchstwahrscheinlich geschmuggelt – damit will ich nichts zu tun haben!«
    Doch dann beherrschte er sich, denn der Sekretär konnte schließlich nichts dafür. Außerdem kannte er zu viele seiner kleinen Geheimnisse. In ruhigerem Ton sagte er: »Bring mir, was du willst. Dieses Nest hier – es legt sich mir aufs Gemüt.«
    Der schon betagte Sekretär trat an die Fensterfront und blickte hinunter auf die Menschenmenge, die sich in der letzten halben Stunde verdoppelt hatte. Ein paar Musikanten hatten sich eingefunden, kostümierte Tänzer trieben ihre Possen zwischen den Leuten und leerten ihnen wahrscheinlich heimlich die Taschen. Die andere Seite des Platzes riegelte ein Trupp rotröckiger Reiter ab, die ebenso nervös waren wie ihre Pferde. Die beiden Offiziere patrouillierten, tief ins Gespräch vertieft, vor der Gruppe auf und ab.
    Der Sekretär zwang sich, zu dem roh gezimmerten Schafott hinüber zu sehen, an das ein Zimmermann letzte Hand anlegte. Kein Wunder, daß dem Konteradmiral unbehaglich zumute war, dachte er. In London blieb einem solch ein Anblick erspart, da standen die Richtstätten an den Landstraßen in den Außenbezirken.
    Sir

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