Des Koenigs Konterbande
reglos in den ziehenden Nebenschwaden.
Als Chesshyre ihn gewahrte, straffte er sich und meldete: »Wir haben kaum noch Ruder im Schiff, Sir.« Seine Worte waren wenig mehr als ein heiseres Flüstern. Wie alle Seeleute haßte er Nebel und schlechte Sicht. Bolitho warf einen Blick auf die schräge Kompaßscheibe: Nordnordost.
Chesshyre hatte recht, sie hielten zwar den Kurs, machten aber kaum noch Fahrt. Der Nebel hätte zu keiner umpassenderen Zeit kommen können.
Weiter vorn hustete jemand, und Bootsmann Hawkins knurrte: »Ich stopf dir gleich Werg in den Hals, wenn du noch
einen
Ton von dir gibst, Fisher!«
Paices hoher Schatten näherte sich im Dunst. Besser als die anderen verstand er, was Bolitho durchmachte, während seine letzte Chance ihm zwischen den Händen zerrann. Für die Schmuggler bedeutete der Nebel kein großes Hindernis, sie konnten ihre Ware überall an der Küste anlanden. Verzweifelt sah Bolitho den hellen Schwaden nach, die sich um Wanten und Stage wanden. In der Dunkelheit schimmerte das nasse Großsegel wie poliertes Metall. Aber es hing kraftlos herab, der Kutter schien stillzustehen, während nur der Nebel durch das Rigg nach vorne zog.
Bald mußte der Morgen dämmern. Bolitho biß die Zähne zusammen. Der Sicht nach zu urteilen, hätte es genausogut Mitternacht sein können.
Niemand vermochte zu sagen, wo die anderen beiden Kutter standen. Sie konnten von Glück reden, wenn sie beim Aufklaren noch in Sichtweite waren, ganz zu schweigen von der Verfolgung Delavals oder seines Lockvogels.
Auch Allday mußte irgendwo da draußen sein. Falls er nicht schon viele Faden tief auf dem Meeresgrund lag, ein Opfer seiner Treue und seines Mutes.
Paice räusperte sich. »Wir könnten ja nochmals über Stag gehen, Sir.«
Sein Gesicht konnte Bolitho nicht sehen, wohl aber die Anteilnahme in seinen Worten hören. Paice hatte von ihnen allen die größte Rechnung mit Delaval zu begleichen. Gab es denn wirklich nichts, was sie noch tun konnten?
»Lieber nicht«, antwortete er. »Gehen Sie selbst an die Karte und versuchen Sie, unsere Position und Abdrift zu schätzen. Und lassen Sie weiterhin loten. Alles ist besser als diese Ungewißheit.«
Paice vergrub die großen Fäuste in seinen Taschen. »Sobald es heller wird, schicke ich den besten Mann in den Ausguck, Sir«, versprach er, ehe er ins Kartenhaus ging.
Leutnant Triscott trat unruhig von einem Bein aufs andere, wollte anscheinend etwas sagen, andererseits aber auch Bolitho nicht stören.
»Was gibt’s, Mr. Triscott?« Bolitho war über die Schärfe seines Tons selbst überrascht. »Irgend etwas beschäftigt Sie doch schon die ganze Zeit.«
Verlegen antwortete Triscott: »Ich frage mich nur, Sir – falls wir auf die Schmuggler stoßen, können wir dann… Ich meine …«
»Sie fragen sich, ob wir sie ohne die Hilfe der beiden anderen Kutter überwältigen können?«
Beschämt ließ der junge Offizier den Kopf hängen. »So etwa, jawohl, Sir.«
Bolitho griff nach der Reling, die sich unter seinen fiebrigen Händen eiskalt anfühlte. »Wir müssen sie erst haben, Mr. Triscott. Danach können Sie mich nochmals fragen.«
Chesshyre legte eine Hand hinters Ohr. »Was war das?«
Bolitho spähte nach oben, aber die Takelage wurde schon auf halber Höhe vom Nebel verschluckt. Gedämpft rief der Bootsmann: »Nicht im Rigg, Sir!«
»Ruhe!« Bolitho hob warnend die Hand. Wie Chesshyre hatte er einen Augenblick gedacht, das Geräusch sei von oben gekommen, wie von einer unter starkem Druck gebrochenen Leine oder einer gequollenen Talje, die nicht mehr durch ihren Block paßte. Aber das war ein Irrtum. Die Ursache lag außerhalb des Schiffs.
Männer standen lauschend zwischen den Sechspfündern, andere kletterten in die Webleinen, als könnten sie dann besser hören. Für den Augenblick waren Müdigkeit und Enttäuschung vergessen.
Paice erschien an Deck, ohne Hut und mit Tautropfen im struppigen Haarschopf. Gepreßt sagte er: »Ich kenne
Telemachus
besser als mich selbst, Sir, und im Wasser pflanzen sich Geräusche leichter fort. Es hat nicht an Bord geknallt.
Das war ein Musketenschuß, oder ich fresse meinen Hut!«
Beim nächsten Mal hörten sie es alle: einen gedämpften Knall, kaum lauter als die eigenen Schiffsgeräusche.
Chesshyre nickte zufrieden. »Ziemlich nah, Sir, und in Lee von uns. Deshalb klingt es im Nebel nicht lauter.«
Nachdenklich runzelte Bolitho die Stirn. Chesshyre hatte richtig beobachtet. Wer gab ohne Not im Nebel
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